Meine neue Radiosendung: FUTURE CONTENT #01

Ich habe beim besten Community Radio des Universums, Radio Z, eine neue Radiosendung namens FUTURE CONTENT gestartet, das Konzept könnt ihr hier lesen und sie läuft immer am ersten Sonntag des Monats von 22-0 Uhr (die nächste ist am 5. März). Danach wird sie, wenn alles klappt, eine Woche lang in der Mediathek von Radio Z zu hören sein. Und ich lade sie dann immer noch auf Mixcloud hoch, da könnt ihr sie dann noch viel länger streamen. (Podcast im klassischen Sinn geht leider nicht, blame your Gesetzgeber, aber es ist ja nicht so, dass ihr nicht fähig wärt, “downloaden von mixcloud” zu googlen. ^^ )

Die Premiere war am 5. Februar und ich war ganz schön aufgeregt, weil ich seit gefühlten 100 Jahren kein Live-Radio mehr gemacht hatte und nicht sicher war, ob ich das mit der Studiotechnik alles so hinbekomme, aber es lief dann ganz gut. Hier der Mixcloud-Link und die Playlist:

[mixcloud https://www.mixcloud.com/evemassacre/future-content-01-radio-show-on-radio-z/ width=100% height=60 hide_cover=1 mini=1 light=1]

NO TV NO RADIO – Peace
Begrüßung
Gr◯un土 – Fr∞shine
Sendungskonzept
AUSTRA – Utopia
Host-Vorstellung
CHIMURENGA RENAISSANCE – Girlz with gunz
Chimurenga Renaissance
CHIMURENGA RENAISSANCE – She is the fairest of them all
JOHN CONGLETON & THE NIGHTY NITES – Just lay still
John Congleton und Torchwoods Owen Harper
JOHN CONGLETON & THE NIGHTY NITES – Canaries in the coalmine
Benjamin Bratton über künstliche Haut und Sinnerfahrungen, und über Städte und AI
ZORA JONES – Zui
Benjamin Bratton über Städte und AI und John Congleton
OLGA BELL – Your life is a lie
ABRA – Thinking of u
Mark Fisher und It Follows
DISASTERPEACE – Heels
It Follows und Mark Fisher
BURIAL – Street Halo
Fanfic
LOS CRIPIS – All my friends are dead
Slash – Film über Fanfic
DAVID BOWIE – The London Boys
ELVIS DEPRESSEDLY – PepsiCoke Suicide
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 1
FAT WHITE FAMILY – Whitest boy on the beach
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 2
BOY HARSHER – Pain
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 3

TANKINI – We sat on the porch
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 4
YOUNG FATHERS – Only god knows
Abschied
JENNY HVAL – Period piece

Das Overton-Fenster als Waffe

Rund um das Entstehen von Schmalbart und Correctivs Reporter-Fabrik (hier das Konzept-PDF) hat sich eine Diskussion entsponnen, ob Fakten, Diskussionsstrategien auf Social Media oder Medienbildung gegen die Propagandamethoden der Neu-Rechten helfen. Es soll versucht werden, den öffentlichen Diskurs zurückzuerobern. Von den Correctiv-Plänen gibt’s noch nicht so viel Infos, von Schmalbart auch wenig Konkretes, aber zum Beispiel: “Es gibt Projekte zu Psychotargeting, Quellenüberprüfung, Datenvisualisierung und Medienkompetenz in der Schule.” Insgesamt hört sich das, was ich bis jetzt über Schmalbart gehört habe so an als ob eine Journalisten- und Marketing-Bubble sich aufmacht, die Diskussionkultur in den sozialen Medien zu retten, möglichst losgelöst von einer politischen Gesinnung um eine möglichst breite Masse einzubeziehen, quasi der Women’s March des Internetaktivismus oder so. Da ließen sich auch ähnliche Kritikpunkte wie am Women’s March aufmachen, z.B.: Wie divers ist das ganze aufgestellt und in den Zielsetzungen? usw. Oder mit kam auch die Frage: Warum wird das an Breitbart aufgehängt und nicht an Compact oder RT, die hier ja schon lange sehr präsent sind. Bei mir hat es angeregt, mal ein paar Gedanken zu der ganzen rechten Desinformationspropaganda zu sammeln, die mir seit Wochen im Kopf herumschwirren.

Ab jetzt wird zurückgepostet! ^^

Eine Idee von Schmalbart ist eine Datenbank mit snackable Fakten-Content: Fakten zu typischen rechten Themen wie Flüchtlingsverbrechensrate sollen zu Bildchen oder ähnlichem aufbereitet werden, die Menschen dann bequem auf Social Media verbreiten können. Anti-komplex gegen Rechts, Hauptsache Präsenz zeigen, dagegen halten. Kann sowas Erfolg haben? Hat jemand schon mal analysiert hat, warum das bislang nicht funktioniert hat? Denn auf diese Methode sind ja andere auch schon in diversen Formen gekommen, als PEGIDA aufkam. Ein paar alte Links habe ich noch: hier, hier, hier, hier, hier oder hier. Diese Websites und Social Media-Bildchen mit Fakten oder Slogans hatte ich mir damals immer in einem Extra-Fakten-Folder in meinen Bookmarks abgespeichert. Dahin, wo auch schon die Fakten zu Feminismus und LGBT*-Themen waren. Eine zeitlang habe ich immer, wenn ich über eine Diskussion stolperte, z.B. in den Kommentaren unter bestimmten Artikel-Postings von Zeitungen auf Facebook, wenigstens ein paar Fakten zwischen die rassistischen Hetzkommentare gesetzt, wenn mir die Energie zum Diskutieren nicht reichte. Mir und anderen ging es darum, den Neu-Rechten den öffentlichen Diskurs nicht alleine zu überlassen, aber mich auch nicht auf sinnlose Diskussionen mit Rechten einzulassen, letztlich einfach online genauso wenig wegzugucken, wie ich es offline tun möchte, wenn jemand rassistisch, sexistisch oder homophob rumplärrt. Etwas, was ich mir im queer/feministischen Diskurs online ziemlich abgewöhnt habe, denn da war mir die bewusste Eskalierung durch die Gegenseite schon viel länger bekannt.
Ich wurde dessen dann aber auch im rechten Diskurs bald müde, weil mir klar wurde, dass von der Neu-Rechten gegen Flüchtlinge genauso großangelegte Kampagnen mit Fake-Accounts und gezielte rhetorische Strategien zur Desinformation und Erschöpfung der “Gegner*innen” eingesetzt wurden. Wenn du dagegen anzugehen versuchst, fühlst du dich irgendwann nur noch wie die Müllabfuhr von Facebook, ganz zu schweigen von den Hass-Aktionen, die du abbekommen kannst. Und solange die Plattformen nicht selbst aktiver helfen, erscheint mir das als ein recht aussichtsloser Kampf, ein Wettrüsten das letztlich nur Facebook gewinnt, da immer mehr Leute immer posten und klicken.
Vielleicht war es damals aber auch noch nicht schlimm genug oder es wurden nicht genug Leute dafür mobilisiert, deswegen: Wer das für eine sinnvolle Methode hält: Aktuell gibt es zum Beispiel unter den Hashtags #ichbinhier oder #wirsindda auf Facebook derzeit Menschen, die versuchen sich “wider den Hass” zu organisieren. Könnte ein Ableger von Schmalbart sein. Ich hoffe aber schon, dass die Facebookgruppe “Freundlich sein zur AfD” nicht zu Schmalbart gehört: “Die Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, möglichst regelmäßig Facebookseiten der AfD und anderer Rechtspopulisten aufzusuchen, um dort den sachlichen Diskurs zu suchen. Das heißt, sich beleidigen zu lassen, ohne zurück zu geifern, Argumente gelten zu lassen, wo sie faktisch korrekt sind, aber eben auch an rostigen Stellen in der Argumentationskette des Gegenübers zu rütteln.” I can’t even. Früher hätte ich darauf einfach Wiglaf Drostes “Mit Nazis reden” zitiert, aber heute scheint mir das zu wenig.

“Eine Art von Referenzkatastrophe”

Ob AfD, ob Trump, ob Richard Spencer oder Milo Yiannopoulus, oder ihre ganzen namenlosen Anhängerlein: Vielen der Neu-Rechten geht es bei ihren öffentlichen Äußerungen darum, das Gegenüber, das auf Logik und Fakten gepolt ist, mit Vagheit, mit Provokation, mit der Verweigerung sich festlegen zu lassen und anderen semiotischen und rhetorischen Methoden strategisch zu zermürben. Gleichzeitig soll dabei den Anhänger*innen ein Gefühl des Zusammenhalts, der Macht und der Möglichkeit zu Veränderung vermittelt werden, das über die Abgrenzung von anderen funktioniert. Sie produzieren zutiefst faschistische Reden, Provokationen und Memes, ohne die Grenze zur Strafbarkeit zu überschreiten, aber ihre Gegner*innen in einer Empörungswelle nach der anderen zu emotionalisieren oder sie in einer endlosen Diskussionsschleife um Interpretationsvarianten zu verheddern. Schlimmstenfalls: sie auch noch gegeneinander aufzubringen.
Ein Beispiel für die Zermürbung zeigt ein Blogposting von Moritz Hoffmann sehr schön, der nur einen einzelnen Absatz aus Höckes Rede korrigiert hat, und dabei schon immer mehr verstrickt wurde. Die Analyse macht, fürchte ich, bei solchen Taktiken auf der inhaltlichen Ebene leider wenig Sinn; weder um argumentativ dagegenzuhalten, noch um Gesinnungen zu ändern, denn die rechte Desinformation im Detail zu zerlegen ist für die meisten einfach TL;DR (ich lese schon halbwegs viel, aber ich komme nicht mal halbwegs nach, die ganzen Faktencheck- und Erklär-Artikel zu lesen, die es inzwischen am laufenden Band gibt) und sie glauben nicht an Fakten, und Höckes Rede funktioniert eben auch nicht über den konkreten Inhalt, sondern über das Gefühl von einer veränderungsverheißenden faschistischen kollektiven Wut, das zwischen den Zeilen spürbar wird, ohne dass es explizit ausgesprochen wird. Gefühlte Wahrheit ist hier ein hilfreicher Begriff.  Yves Error beschreibt das in Analyse & Kritik sehr schön als “Referenzkatastrophe”:
Bei Menschen mit einem herkömmlichen politischen Vokabular, sei es bürgerlich oder kritisch, erzeugen diese Sprachmuster eine Art Referenzkatastrophe. Ständig werden Argumente gebracht, auf die einzugehen sich nicht aus Gründen der Meinung oder Moral verbietet, sondern aus dem Grund ihrer logischen und begrifflichen Inkohärenz. … Dieser rechte Anti-Diskurs ist es, der auch als postfaktische Politik bezeichnet wird. Vorurteile und Abwehrhaltungen werden hier nicht begründet, sondern einfach behauptet. Die Rechte erzeugt so eine »Sprachbarriere« hinter der sich ihr Gesellschaftsbild munter entwickeln kann und abstrakte Ängste als kollektiv performte Wut Gestalt annehmen, z.B. in den 921 von der Polizei gezählten Angriffen auf Geflüchtete und Asylunterkünfte im vergangenen Jahr in Deutschland. Erfolge einer Politik, die zwar verbal, aber nicht mehr argumentativ funktioniert – mittels der Faszination von Worten, die wirken ohne zu bedeuten und Sprechakten, die nur als Gewaltakte im aggressiven Gestus des Ressentiments ihren Sinn finden.
According to the American philosopher Harry G Frankfurt  the key difference between the liar and the bullshit artist is that the liar has at least some regard for the truth. The liar has a clear idea of what the reality of a situation is, and wants their audience to believe the opposite. The bullshit artist doesn’t care about truth at all — they have renounced citizenship of what the Bush administration infamously called ‘the reality-based community.’ The liar wishes to conceal the truth. The bullshit artist, by contrast, wants to destroy the entire concept of truth, not to deceive but to confuse, confound and control. This is what people mean when they refer to our political moment as a ‘post truth’ age.

Mit Zahlen gegen gefühlte Wahrheiten

Wo die Zersetzung eines Wahrheitsbegriffs, der auf gesellschaftlichem Konsens basiert, das Ziel der desinformierenden Redeformen ist, werden snackable Fakten als aufklärerisches Konter eher wenig bewirken und auch nicht Correctivs Fakten-Arbeit für Facebook. Der Begriff “post-faktisch” zwar auch im deutsch-sprachigen Raum aufgegriffen, aber von Medien so schnell wahllos als Hypewort verwendet, dass der eigentliche Sinn verloren ging. Ich fand ihn eigentlich schon hilfreich, aber er gehört in einen Kontext von Strategie. “Post-faktisch” einfach nur als “denen sind Fakten egal” oder “Fakten kümmern niemanden mehr” zu verwenden, verwässert ihn. “Post-truth” heißt er im Englischen, aber vielleicht wäre es stattdessen hilfreich den guten alten Begriff des “Truthers” zu verwenden, der Leute bezeichnete, die an Verschwörungstheorien rund um 9/11, Mondlandung oder sonstwas glauben, und sich zu ihren gefühlten Wahrheiten beliebige Belege suchen.
Nathan Jurgenson hat den Begriff im Trump-Kontext aufgegriffen und der Truthiness dabei den ebenso hilfreichen Begriff der Factiness entgegensetzt, um zu erklären, warum das (noch dazu oft vereinfachende und und bias-ignorierende) bloße Vertrauen auf Daten und Statistiken als Fakten ohne eine vereinende gefühlte Wahrheit, ein Narrativ, nicht als Gegenmittel funktioniert:
“truthiness,” which we might define as ignoring facts in the name of some larger truth. The facts of Obama’s birthplace mattered less for them than their own racist “truth” of white superiority. Perhaps we need to start articulating a left-wing version of truthiness: let’s call it “factiness.” Factiness is the taste for the feel and aesthetic of “facts,” often at the expense of missing the truth. From silly self-help-y TED talks to bad NPR-style neuroscience science updates to wrapping ourselves in the misleading scientisim of Fivethirtyeight statistics, factiness is obsessing over and covering ourselves in fact after fact while still missing bigger truths.

Verschiebung des Wertesystems durch Ausweitung des Sagbaren

Aber weiter zur neu-rechten Rhetorik: Jason Stanley hat wie Laurie Penny, den Frankfurtschen Bullshit-Begriff für die sprachliche Methode der Neu-Rechten, explizit Trumps Stil, aufgegriffen, sieht ihn aber nur auf technischer Ebene als zutreffend. Er greift zum besseren Verständnis Hannah Ahrendts Schriften zu autoritärer Propaganda auf, und erklärt: Es ist in einer freiheitlichen Demokratie schwierig, eine Botschaft zu finden, die für die Vielfalt der Wertesysteme gleichermaßen passt – davon können Werbebranche und Politik gleichermaßen ein Lied singen. Um die eigenen Machtvorstellungen angesichts eines so diversen Publikums durchzusetzen, bei dem auch noch verschiedenste Wertesysteme miteinander in Konflikt stehen, erschafft die Neu-Rechte im Truther-Stil eine möglichst einfache Realität, die sich echt anfühlt, weil sie etwas Komplexes schön einfach erklärt und  meist auch noch Sündenböcke für Probleme bietet und ein wir-gegen-die Gruppengefühl schafft, und, ganz wichtig: Die den Zweck erfüllt, nach und nach das Wertesystem des Publikums zu verändern. Ähnliches haben andere mit der bewussten “Ausweitung des Sagbaren” oder “Vergrößerung des Overton-Fensters” benannt. Es weniger um Überzeugung durch das inhaltlich Gesagte, sondern um eine Verschiebung des Wertesystem. Und genau deswegen muss es Dinge geben, die wir nicht tolerieren, sonst kann Meinungsfreiheit zur Waffe gegen die Demokratie werden.
Das ist ein Prozess, der eigentlich schon seit Sarrazins ‘Man wird doch wohl noch sagen dürfen’ von den Medien mitgespielt wird. Beispielsweise mal ausgeführt: Es wird behauptet, und damit die fiktive Realität geschaffen, dass ‘man’ gewisse Sachen nicht mehr aussprechen dürfe. Das ist provokativ, vor allem weil jemand eine Opferhaltung einnimmt, die ihm faktisch nicht zukommt, aber: Hey, Meinungspluralität in den Medien! Hey, mehr Aufregung bringt mehr Klicks! Also geben wir es als eine Meinung aus, die eine demokratische Gesellschaft aushalten muss, und geben ihm eine Plattform. Damit wird die Aussage eigentlich endgültig absurd, denn a) wird in dem Text, der sich beklagt, dass man etwas nicht mehr aussprechen dürfe, genau das angeblich Nicht-Aussprechbare ausgesprochen und b) werden ihm noch dazu die größten Medien als Plattform gestellt. Es ‘wissen’ eigentlich die meisten, dass es Quatsch ist, aber es ‘fühlt’ sich für viele – Leute wie Mario Barth füllten mit Ähnlichem ganze Stadien – irgendwie wahr an. Sonst würde es ja auch nicht in allen Medien auftauchen. Der Fokus sollte deswegen auch nicht nur auf Online-Diskussion liegen, auch die traditionellen Medienhäuser gehören in die Verantwortung genommen: Intolerante anti-feministische, anti-homophobe und rassistische Inhalte werden nicht nur von Rechten auf Social Media verbreitet, nein, ihnen wird auch in Meinungskolumnen und Talkshows Platz gegeben. Et voilà: nach und nach wird immer öfter und immer schärfer von einer “Verbotskultur” gesprochen. Das Wertesystem hat sich verschoben.
Hier auch mal ein paar Tweets dazu aus dem Thread von @meakoppa, aus dem ich den Titel dieses Blogeintrages habe:

So funktionieren rechte Strategien letztlich heute wie damals. Die aktuellen haben Wurzeln in Kreationisten- und Trutherkreisen, sie wurden in Männerrechts- und Pick Up Artist-Ecken des Netzes – das sind auch nach wie vor völlig unterschätzte Einstiegsgruppen für Rechte – endlos ausgefeilt und nicht zuletzt im Gamergate kampferprobt. Mit Leuten wie Breitbarts Yiannopoulus sind bei der Neu-Rechten sogar diesselben Aushänge-Protagonisten am Start. Von Matt Lees gibt es einen langen Essay dazu (vor allem für Journalist*innen auch lesenswert), was hätte von Gamergate schon für die “Alt-Right” hätte gelernt werden müssen, statt Breitbart und Co abzukaufen, dass da einfach nur hysterische SJWs (Social Justice Warriors) gegen ganz ‘normale’ Menschen stehen. Das findet sich inzwischen in der rechten Hetze gegen die “grünversifften Gutmenschen” wieder, die den ganz ‘normalen’ Bürgern ihre Rechte/Spaß/Meinungsfreiheit wegnehmen. Da werden mit einer Anti-Establishment Haltung soziale gesellschaftliche Standards erodiert. Und mit dem Erstarken der Neu-Rechten ist es nun auch in der gesellschaftlichen Mitte etwas nicht mehr ganz so leicht wegzugucken, als damals, als es nur ein ‘Frauenproblem’ und Minderheitenproblem war. So diskutiert nun die bürgerliche urbane Medien- und Marketing-Klasse über Dinge, die vor Jahren zum Beispiel feministische Bloggerinnen diskutierten, die sich gegen Maskus wehren mussten – statt auf dort Gelerntes aufzubauen.
Verschiedenste rhetorische Kniffe der Neu-Rechten sind eigentlich Klassiker, hier mal ein paar mit Hilfe der Rational Wiki vorgestellt:
(also known as proof by verbosity and the Trump Tirade) is the fallacious debate tactic of drowning your opponent in a flood of individually-weak arguments in order to prevent rebuttal of the whole argument collection without great effort.
is a way of attempting to make wild accusations acceptable (and hopefully not legally actionable) by framing them as questions rather than statements. It shifts the burden of proof to one’s opponent
A concern troll visits sites of an opposing ideology and offers advice on how they could “improve” things, either in their tactical use of rhetoric, site rules, or with more philosophical consistency. The “improvements” are almost exclusively intended to be less effective.
the fallacious tactic of taking quotes out of context in order to make them seemingly agree with the quote miner’s viewpoint or to make the comments of an opponent seem more extreme or hold positions they don’t in order to make their positions easier to refute or demonize.
The balance fallacy is a logical fallacy that occurs when two sides of an argument are assumed to have equal or comparable value regardless of their respective merits, which (in turn) can lead to the conclusion that the answer to a problem is always to be found between two extremes. The latter is effectively an inverse false dilemma, discarding the two extremes rather than the middle. Balance is often a problem in the media, where confrontational or adversarial journalism might present more of a controversy about some topic than actually exists, giving equal time to fringe minority viewpoints to draw in viewers. It is effectively the opposite of bias. (vlg. zum Beispiel die Überpräsenz der AfD in den Medien)
(also tone policing) is a logical fallacy that occurs when an argument is dismissed or accepted on its presentation: typically perceived crassness, hysteria or anger
a fallacious argument style in which an irrelevant or false topic is presented in an attempt to divert attention from the original issue, with the intention of “winning” an argument by leading attention away from the original argument and on to another, often unrelated topic.

und. so. weiter.

Ich würde sagen, Faustregel bleibt (zumindest für Frauen und Minderheiten): Traue dich, laut für deine Position einzustehen, aber lerne auch, wann es sich nicht zu diskutieren lohnt, wenn du eben zum Beispiel solche Taktiken erkennst. Oft ist es einfach besser, zu löschen, blocken und ignorieren. Schon mal aus Selbstschutz.

Ich habe selbstverständlich auch keine Lösung für die Rettung der demokratischen Diskussionskultur, aber meine Begeisterung für Ansätze, bei denen ich das Gefühl [sic] habe, dass es ihnen letztlich nur darum geht, wieder mehr Gemütlichkeit für eine bürgerliche Mitte zu schaffen, statt an die Wurzeln zu gehen, hält sich in Grenzen. Andererseits ist es schön, dass überhaupt was in die Gänge zu kommen scheint und ich hoffe ganz ehrlich, dass ich mit meinem ‘Gefühl’ den Schmalbarts, #ichbinhiers und Correctivs Unrecht tue, und stattdessen die Neu-Rechte von spannenden, engagierten Projekten, die Minderheiten einschließen, total disrupted wird, statt dass sie das Netz einfach noch lärmiger machen mit einer Meme Wars Version von Lichterketten gegen Windmühlen. Ich drücke uns die Daumen.
P.S.: Noch eine Weiterleseempfehlung, über die ich heute früh gestolpert bin: In “In den Niederungen der Desinformation. Ein Selbstversuch mit RT” zeigt Sylvia Sasse, wie Russia Today die “ehemalige mediale Frontlinie zwischen Ost und West” reaktiviert” und die “rechtspopulistischen Parteien Europas diese Frontlinie dankbar ins Innere ihrer Gesellschaften” verlagern.
Überhaupt solltet ihr Geschichte der Gegenwart gleich unter euren Lieblingsblogs bookmarken, in eurem RSS Reader abonnieren, auf Facebook liken, oder wie ihr das halt handbabt, denn da gibt’s derzeit wirklich wichtige Texte, z.B. auch „At the last Trump… – Populismus und das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen” von Christian Geulen oder der neueste: Patricia Purtschert zur Umkodierung der ursprünglichen Ziele von Identitätspolitik, It’s identity politics, stupid!

Hitler würde Rot-Rot-Grün wählen

In meiner Timeline werden gerade vermehrt empört AfD-Postings geteilt, die sich als “links” geltende Idole herausgepickt und sie mit einem “x würde AfD wählen”-Slogan versehen haben. Das geht von Che Guevara bis Sophie Scholl, letzteres auch noch mit einem Zitat vom Flugblatt 1 der Weißen Rose versehen, und das ist natürlich ein besonders großer Tabubruch.

Im kommenden Wahlkampf werden wir unendlich viel solchen Müll zu Gesicht zu bekommen. Es ist wichtig, dass wir uns davon nicht emotional aufheizen lassen und ihm nicht noch durch Re-Postings als Verstärker und Verteiler dienen. Genau das und die emotionale Aufreibung ihrer Gegner*innen ist der Zweck dieser neu-rechten Social Media Kampagnen. Es ist hilfreich, solche Postings einfach nur technisch zu betrachten: Als methodischen Tabubruch, als provokative Kampagne, aber sich nicht von den Inhalten aufwühlen zu lassen. Es geht hier nicht um Inhalte, es geht hier nicht um ein Wahlprogramm, sondern um Viralität.

Eine internationale internetaffine Neu-Rechte nutzt aus, dass soziale Netzwerke wie Facebook in erster Linie Marketinginstrumente sind. Das bedeutet, dass auf diesen Plattformen am besten gehört wird, wer am provokativsten postet oder wer bezahlt und gesponsorte Inhalte damit gezielt an bestimmte Gruppen verteilen kann. Nicht der lange gehaltvolle Inhalt macht die Runde, nein, der schrille, überspitzte Inhalt. Diese Viralität sozialer Netzwerke wird von der Neu-Rechten ganz bewusst als Taktik genutzt.

Es ist virales Marketing und der Inhalt hat da nicht mehr Wahrheitsanspruch als sonst auch in der Werbung. Es gehört zur Strategie, sich inhaltlich nicht festzulegen. Es werden immer wieder empörende und falsche Aussagen getroffen und oft danach wieder relativiert, wenn sich alle brav darüber aufgeregt haben und der rechte “Brand” wieder in aller Munde ist.

Mein Rat ist: Lieber ruhig die Methode angucken und kommentieren, als sich inhaltlich über all die einzelnen Provokationen jedes Mal auf’s Neue zu empören. Nerven schonen und nicht alles aufgeregt weiterposten, denn es wird ein langer heißer Wahlkampf.

Hier auch mal ein O-Ton Beispiel, wie sich Neu-Rechte das strategisch so denken:


P.S.: Ich verwende hier den Begriff “Neu-Rechte” als Sub-Begriff für rechte Gruppierungen, die internetaffin agieren, die sich post-moderne und linke Begrifflichkeiten aneignen, sowie Taktiken von Marginalisierten, die gegen ihre Ausgrenzung kämpfen. Außerdem ist typisch für sie, dass sie ihrer völkischen Gesinnung mit Begriffen wie ‘Ethnopluralismus’ einen pseudo-neuen Anstrich zu verleihen versuchen. Von der Methode her also quasi “liquid nazis”: Rechte, die sich auf die “flüchtige Moderne” einlassen.
Allerdings ist das “Neu” bei den “Neu-Rechten” genauso mit Vorsicht zu genießen wie das “Alt” bei der “Alt-Right”, denn das, was sie von den alten Rechten unterscheidet, wird nur taktisch eingesetzt, gilt aber in letzter Konsequenz als zu überwinden. Es ist derselbe dumpfe rechte Geist mit seiner Sehnsucht nach einer geschlossenen Volksgemeinschaft, der sich hier hinter einer zeitgeistigen Fassade verbirgt. Aber um mit einem Zygmunt Bauman-Zitat zu enden: “What has been cut apart cannot be glued back together. Abandon all hope of totality, future as well as past, you who enter the world of fluid modernity.”

Jahresendlisten-Attacke – Teil 3 ??

Ich habe schon immer eine Hassliebe zu Jahresendbestenlisten, aber die will ich hier gar nicht groß ausführen, nur eins: Es gibt zu wenige von Frauen! Um das zu ändern habe heuer mal lauter Lieblingsfrauen aus meinem Umfeld in Nürnberg gefragt, ob sie Zeit und Lust hätten für meinen Blog eine zu machen. So wurde meine erste Jahresendliste 2016 eine mit lauter großartigen Frauen aus der Nürnberger Ecke; Frauen, die sich mit allem möglichen beschäftigen – Kunst, Musik, Fotografie, Kochen, Film, Büchern, Sexualität, Menschrechtsaktivismus, Lehren, Reisen, Wissenschaft, Technik, Internetkram, Programmieren, Tanz, Politik, Gastronomie, Radio, Familie, und vieles mehr. Jeder davon verdanke ich ein bisschen von der Energie, die mich vorantreibt, und eigentlich hätte jede von ihnen einen langen Blogpost darüber verdient, warum ich sie so toll und interessant finde. Stattdessen aber überlasse ich lieber ihnen selbst den Platz, bzw ihren Jahresendlisten. Mehr davon! <3

Lange nicht alle haben mitgemacht, teils weil sie diese Listen nicht mögen, teils weil die Zeit nicht reichte (ihr könnt aber gern immer noch nachreichen!), oder – unsinnigster Grund! – weil sie denken, sie seien zu langweilig dafür. Aber es sind doch einige zusammengekommen, und die werde ich jetzt in drei Teilen veröffentlichen. Die Fotos zeigen übrigens jeweils drei Dinge, die diejenige das ganze Jahr fast immer dabei hatte, wenn sie unterwegs war.

Viel Vergnügen damit, hier kommen die dritten Fünf, mit einer anonymen Teilnehmerin, Betty Blue, Charlotte Kirchhoff, Julie Anne Noying und Martina Jung!
Hier gibt’s den ersten und hier den zweiten Teil.
Und morgen oder so folgt noch meine eigene.


MARTINA JUNG

Lieblingssongs: Yves Tumor – The feeling when you walk away

Lieblingsalben:
The Best of Burt Bacharach
Andersen Paak – Malibu
Jenny Hval – Blood Bitch

Lieblingsserien: Top of the Lake (war die einzige Serie dieses Jahr)

Lieblingsfilme:
La La Land
American Honey
A Certain Woman
-> 3x USA wie es unterschiedlicher nicht sein kann

Lieblingsbücher / Buchtipps: Chimamanda Ngozi Adichie, Die Hälfte der Sonne

Lieblings-(Online-)Magazine: Missy Magazin

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale: Süddeutsche Zeitung

Lieblingsblogs: Wetterochs

Lieblings-Radiosender:
Radio Z
Bayern 2

Lieblings-Apps: Telegram

Lieblings-Konzerte: Dark Star

Lieblings-Vorträge: Da mein Kalender geklaut wurde, habe ich nur eine Hälfte des Jahres und finde keinen Lieblingsvortrag

Lieblings-ClubNight/Party: Orchid, da war ich immerhin 2x dieses Jahr

Beste Memes: Musste erst bei Wikipedia nachlesen, was das ist 😉

Übelste politische Ereignisse: Trump, Aleppo

Beste politische Aktionen: kann mich nicht entscheiden… gute Ausrede 😉

Lieblingsfeminist*in: Laurie Penny

Das Enttäuschendste an 2016: doofe Schicksalsschläge im Freundeskreis

Das Beste/Schönste an 2016: freue mich auf 2017 😉


Lieblingssongs:
Yapati, Yupata (Ultra Zook)
Bang Bang Bang (Doff’s Poi)
Gullible’s Travails (Motorpsycho)

Schlimmste Songs:
Irgendwas von Nickelback? Keine Ahnung. Ich hör ja nur das, was ich mag 😀

Lieblingsalben:
1. Carboniferous (ZU) – jaaaa, saualt, aber das war mein Frühlingsalbum.
2. Life, Water, Living (QUI) – jaaaa, auch saualt, aber das war mein Sommeralbum.
3. Motomonotono (ZEUS!) – mein Winteralbum! Und nicht ganz so alt.

Schlimmste Alben:
Kam was neues von Nickelback raus?

Lieblingsserien:
Puh.. meine wöchentliche Mix-Playlist auf Spotify? Auf die freu ich mich immer sehr! Aber richtige Serien hab ich dieses Jahr gar nicht geschaut, oder zumindest keine, an die ich mich aufgrund ihrer herausragenden Genialität sofort erinnern kann.

Enttäuschendste Serien:
The Walking Dead. Hab mir vorgenommen, endlich die letzten beiden Staffeln nachzuschauen, aber ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen. Lebt Daryl noch?
Stranger Things. Viel Gutes gehört, aber mir persönlich zu wenig ergreifend.
Sarah & Pietro – Hauptsache, es geht Alessio gut. Was soll sowas?!

Lieblingsfilme:
Life After Death From Above 1979. Nicht aus diesem Jahr, aber immer wieder gern geschaut.

Enttäuschendste Filme:
Ha. Trumpland. Neulich erst gekuckt und dann ewig drauf gewartet, dass Michael Moore seine Einleitungsrede beendet und der Film endlich losgeht. Hm.

Lieblingsbücher / Buchtipps:
Raymond Querneau – Stilübungen

Lieblings-(Online-)Magazine:
Smashing Magazine
Broadly VICE

Lieblingsblogs:
Hab dieses Jahr nix abonniert außer evemassacre.de 🙂

Lieblings-Radiosender: Spotify 😉

Lieblings-Apps:
Navigon
Afterlight
Boomerang

Lieblings-Konzerte:
ZU im Zentralcafé. Im Juni. Hach!
ZEUS! im Zentralcafé. Im Februar UND im Dezember. Doppelhach!
THE CHAP im Zentralcafé. Die kannte ich vorher nicht, aber die sind richtig, richtig toll.

Enttäuschendste Konzerte:
Princess Nokia.. -.-

Lieblings-Vorträge:
“How to get the public to fund your daft ideas” von Mr. Bingo auf der Beyond Tellerrand 2016.
Und neulich ein “Fachvortrag” zum Thema Cryptocurrency. Gedeckelt vom “größten Bitcoin-Nachfolger” One-Coin. Himmel, das war SO schlecht, dass es schon wieder gut war. Googelt mal. Endloser Spaß in schlaflosen Nächten garantiert!

Lieblings-ClubNight/Party:
Die MV40-Jubiläumsparty am 21. & 22. Oktober. Und das Warm-Up dazu im August.

Beste Memes:
Kiszkiloszki. Cooler Künstler, dessen Gifs schon zu Memes wurden, bevor jemand seinen Namen aussprechen konnte.

Schlimmste Memes:
Alles vong 1 nachdenkliche Sprüche her.

Beste Social Media Plattform:
Flickr
Twitter
Instagram

Schlimmste Social Media Plattform:
Snapchat. Aber nur, weil ich’s nie verstanden hab. Mach ich immer so 🙂
Facebook. Immer dieser Benachrichtigungs-Check-Zwang!
Instagram. Hassliebe.

Übelste politische Ereignisse:
Nach-Brexit-Beschluss-erstmal-Brexit-googelnde Briten.

Lieblingsfeminist*in:
Sagit Shir, Sängerin & Schlagzeugerin des famosen Duos “Hank & Cupcakes”.

Das Enttäuschendste an 2016: Dass es bald vorbei ist und man immernoch keinen altergruppengerechten Masterplan ausgearbeitet hat. Aber dafür kann 2016 ja nichts.

Das Beste/Schönste an 2016: Auch, dass es bald vorbei ist. Spannendstes Jahr der Welt.


CHARLOTTE KIRCHHOFF

Lieblingssongs:
Freedom (Beyoncé feat Kendrick Lamar)
Tilted (Christine and the Queens)
Good to love (FKA Twigs)

Schlimmste Songs: Hotline Bling (Drake)

Lieblingsalben:
Lemonade (Beyoncé)
Blonde (Frank Ocean)
To Pimp A Butterfly (Kendrick Lamar)

Schlimmste Alben: Summer 08 (Metronomy)

Lieblingsserien:
Jessica Jones
Transparent
Black Mirror

Enttäuschendste Serien:
2. Staffel von True Detective
House of Cards

Lieblingsfilme:
Toni Erdmann
Paterson
Me and Earl and the Dying Girl

Enttäuschendste Filme: Tschick

Lieblingsbücher / Buchtipps:
Hotel New Hampshire (John Irving)
Himmel und Hölle (Alice Munro)
Fast genial (Benedict Wells)

Lieblings-(Online-)Magazine:
VICE
Dazed and Confused

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale:
Tagesschau
taz
SZ

Lieblingsblogs: evemassacre.de 😉

Lieblings-Radiosender:
ByteFM
Hit Radio N1

Lieblings-Apps:
Instagram
Telegram
Shazam

Lieblings-Konzerte: TOMMY GENESIS

Enttäuschendste Konzerte: Le1f

Lieblings-Vorträge:
„Lutz Eichler: Arbeit und Subjektivität“
„Post-fordistischer Safe-Space: Arbeitsverhältnisse im linken Clubkontext” (Philipp Lorig)

Lieblings-ClubNight/Party:
ORCHID
Trouble in Paradise

Beste Social Media Plattform: Facebook
Schlimmste Social Media Plattform: Facebook

Übelste politische Ereignisse: Trump wird US-Präsident

Beste politische Aktionen: #SignedByTrump (Aria Watson)

Lieblingsfeminist*in:
Carmen W.

Das Enttäuschendste an 2016: Trump wird US-Präsident

Das Beste/Schönste an 2016: We are still alive


BETTY BLUE

Lieblingssong: Brown Eyed Girl, gesungen von Van Morrison

Lieblingsserien:
The Good Wife
Stranger Things
Please Like Me
Jessica Jones
Luke Cage
Grace & Frankie

Enttäuschendste Serie: Easy

Lieblingsfilm: The mask you live in (Jennifer Siebel Newsom)

Enttäuschendster Film: Paterson (Jim Jarmusch)

Lieblingsbücher / Buchtipps:
NoViolet Bulawayo: Wir brauchen neue Namen
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin

Lieblings-Radiosender:
Bayern 2
Deutschlandfunk

Lieblings-Konzert: Melt-Banana

Lieblings-Vorträge:
Eve Massacre: That´s why the lady is fan
Salon der unerfüllten Wünsche: Planio-Fauna (oder war das schon 2015?!)

Lieblings-ClubNight/Party: Orchid Queer Karaoke – so viel Liebe! <3

Übelste politische Ereignisse: Wo anfangen … Ich glaube, am meisten schockiert und besorgt hat mich in den letzten Wochen, wie egal den meisten Menschen außerhalb meiner kleinen Seifenblase politische (Fehl-)Entwicklungen sind.

Beste politische Aktionen: Keine bestimmte Aktion. Aber dass die Seifenblase vielleicht doch nicht so klein ist und dass es immer wieder Menschen gibt, die aktiv werden.

Lieblingsfeminist*in: Kein bestimmter Name. Aber alle, die sich etwas zutrauen und die sich nicht aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit entmutigen lassen.

Das Enttäuschendste an 2016: krankkrankkrankkrank…

Das Beste/Schönste an 2016: Dass bisher alle wieder gesund geworden sind.


ANONYMA

Lieblingssongs:
Were we once lovers? – Tindersticks
★ – David Bowie

Lieblingsalben: Blackstar – David Bowie

Lieblingsfilme:
The Ones Below
Auf einmal
Hail Caesar
The Lobster
24 Wochen

Enttäuschendste Filme: Anomalisa

Lieblingsbücher / Buchtipps: Unterleuten – Juli Zeh

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale: Süddeutsche

Lieblings-Radiosender: BR 2

Lieblings-Apps: Jorte-Kalender 🙂

Lieblings-Konzerte:
Le1f (Orchid)
Fu Manchu wäre es geworden… …wenn ich nach München gefahren wäre!

Enttäuschendste Konzerte:
Savanah (Z-Bau)

Lieblings-Vorträge: …fällt mir gerade nix ein – ich hatte ‘ne tolle Fortbildung zur Palliativ-Begleitung Sterbender durch eine Psychologin aus Erlangen… …ach doch, ganz was lustig Abstruses gab’s auch: im Salon der unerfüllten Wünsche – von Keno – Titel???

Urlaube 2016:
Mecklenburgische Seenplatte
Ardèche, Südfrankreich
Berlinale

Festivals 2016:
Haldern Pop Festival (Lieblings-Band: YAK)
Folk im Park war dieses Jahr auch sehr nice (Lieblingsband: The Slow Show)!

Beste Social Media Plattform: arrgghh!

Übelste politische Ereignisse: Wahlkampf USA – und Wahlergebnis!!!

Beste politische Aktionen: NO NÜGIDA

Beste Theaterstücke:
Terror
Und dann kam Mirna (Sibylle Berg)

Lieblingsfeminist*in: Juli Zeh – als Schriftstellerin und als politisch Stellung-Beziehende!

Das Beste/Schönste an 2016: …nicht wirklich DAS Beste 2016, aber auf jeden Fall sehr schön war mein 50. Geburtstag im Juni; – das Datum /der Anlass war “nicht ohne” für mich im Vorfeld – und mein Altern ist es auch jetzt immer wieder mal – aber dann – trotz aller familiären Untiefen, insbesondere in der Zeit, war die Feier in der Pforte, mit u.a. King Kaag an den turntables und mit vielen meiner Liebsten als Gäste, ein absolutes Highlight für mich 🙂

Jahresendlisten-Attacke – Teil 2 ??

Ich habe schon immer eine Hassliebe zu Jahresendbestenlisten, aber die will ich hier gar nicht groß ausführen, nur eins: Es gibt zu wenige von Frauen! Um das zu ändern habe heuer mal lauter Lieblingsfrauen aus meinem Umfeld in Nürnberg gefragt, ob sie Zeit und Lust hätten für meinen Blog eine zu machen. So wurde meine erste Jahresendliste 2016 eine mit lauter großartigen Frauen aus der Nürnberger Ecke; Frauen, die sich mit allem möglichen beschäftigen – Kunst, Musik, Fotografie, Kochen, Film, Büchern, Sexualität, Menschrechtsaktivismus, Lehren, Reisen, Wissenschaft, Technik, Internetkram, Programmieren, Tanz, Politik, Gastronomie, Radio, Familie, und vieles mehr. Jeder davon verdanke ich ein bisschen von der Energie, die mich vorantreibt, und eigentlich hätte jede von ihnen einen langen Blogpost darüber verdient, warum ich sie so toll und interessant finde. Stattdessen aber überlasse ich lieber ihnen selbst den Platz, bzw ihren Jahresendlisten. Mehr davon! <3

Lange nicht alle haben mitgemacht, teils weil sie diese Listen nicht mögen, teils weil die Zeit nicht reichte (ihr könnt aber gern immer noch nachreichen!), oder – unsinnigster Grund! – weil sie denken, sie seien zu langweilig dafür. Aber es sind doch einige zusammengekommen, und die werde ich jetzt in drei Teilen veröffentlichen. Die Fotos zeigen übrigens jeweils drei Dinge, die diejenige das ganze Jahr fast immer dabei hatte, wenn sie unterwegs war.

Viel Vergnügen damit, hier kommen die zweiten Fünf: Carmen ‘double u cc’, Jana Wernicke, Maggie Bernreuther, Bettina Wagegg und Verena Bäumler!
(Die ersten Fünf findet ihr hier.)


VERENA BÄUMLER

Lieblingssongs:
Ankathie Koi – Little Hell
MIA – Borders
OK Kid – Gute Menschen

Schlimmste Songs:
Alles von Naidoo. Und alles von diesen weinerlichen Deutschpopjüngelchen, die ich nicht mal googlen mag jetzt.

Lieblingsalben:
Mantar – Ode to the Flame
Warpaint – Heads up
Amen Ra – Mass V (2012)

Lieblingsserien:
Unterhaltung: Insecure / Good Behaviour / Divorce
Sonst: Black Mirror / Ash vs. Evil Dead / Horace and Pete

Enttäuschendste Serien:
American Horror Story Roanoke
The Strain
Wayward Pines 2. Staffel

Lieblingsfilme, Sektor Horror/Obskur:
The Devil’s Candy
The Eyes of My Mother
The Greasy Strangler

Lieblingsfilme:
Swiss Army Man
Green Room
The Lobster

Enttäuschendste Filme:
Der Marsianer (nicht, dass die Erwartungen gross waren)
Tale of Tales
Mustang

Lieblingsbücher / Buchtipps:
Ja, Panik – Futur II
Helge Timmerberg – Tiger fressen keine Yogis
Almut Klotz – Fotzenfenderschweine (noch nicht durch, aber…!)

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale:
taz
zeit
indymedia

Lieblingsblogs:
Birth Movies Death (Obvious.)
Der Hotlistblog (Immergute Buchtipps)
Adventure Cats (Weil Eskapismus + Katze einfach ein großartiger Traum ist)

Lieblings-Radiosender:
Radio Z
DR Kultur

Lieblings-Apps:
Alle gelöschten, die Speicherplatz schaffen. Am liebsten bin ich da im digitalen Neandertal – und hab mehr Platz für Bilder und jajaja Katzenvideos.

Lieblings-Konzerte:
Mantar
Metz
Shadowhouse
Kadavar
John Coffey
Human Abfall
Astronautalis & Ceschi

Enttäuschendste Konzerte:
Die Nerven
Laibach
Klangstabil
(Alle drei aber „enttäuschend“ auf relativ hohem Niveau, und mit Sicherheit auch aus subjektiver Tagessicht. Nachtsicht mit Nachsicht ;)… Whatever.)

Lieblings-ClubNight/Party: gibt’s meist im Zentralcafe.

Beste Memes:
Explosm
Reddit History Condensed

Beste Social Media Plattform: Facebook
Schlimmste Social Media Plattform: Facebook

Übelste politische Ereignisse: Zuviele, um sie aufzuzählen. Exemplarisch: die – Minimum! – unterlassene Hilfeleistung an den Geflüchteten dieser Welt.

Lieblingsfeminist*in:
Hande Kader
Hannah Arendt (all-time)

Das Enttäuschendste an 2016: Zuviel Tod und Leid.
Das Beste/Schönste an 2016: Es ist endlich zu Ende.

Serienhoffnungen 2017:
Riverdale
This is Us
American Gods

Filmhoffnungen 2017:
Bladerunner 2049
Moonlight
The Transfiguration
Hunt for the Wilderpeople …


BETTINA WAGEGG

Lieblingsbücher:
Klaus Theweleit: Das Lachen der Täter
Chimamande Ngozie Adichie: Blauer Hibiskus
Peter Sichrovsky: Schuldig geboren – Kinder aus Nazifamilien

Lieblings-Zeitungen / Online-Nachrichtenportale:
Zeit.de
Taz.de
Guardian.com

Lieblingsblogs: evemassacre.de

Lieblingsvorträge:
That’s Why The Lady Is A Fan (eve massacre)
Jihad Rap (Yvonne Kunz)

Lieblings-Apps:
Twitter
Telegram

Lieblings-Konzerte:
Savages 03/16 mit Bo-Ningen als Support
Kate Tempest 11/16
Don Vito 12/16

Lieblings-ClubNight/Party:
Orchid
Dancing with Tears in My Eyes

Lieblingssong: Too many!

Schlimmster Song: Otto Walkes singt Kinderweihnachtslieder

Lieblingsalbum:
Let Them Eat Chaos von Kate Tempest
Darkstar – Foam Island

Schlimmstes Album:
Ich habe keine schlimmen Alben, sondern einen ausgewählten Musikgeschmack.

Beste Memes: Too Many
Schlimmste Memes: Too Many

Beste Social Media Platform: Twitter
Schlimmste Social Media Platform: Facebook

Übelste Politische Ereignisse:
Wahl Trumps als Nachfolger von Obama
Brexit
Landtagswahlen und der Erfolg der AfD

Lieblingsfilme:
Paterson
Nachtmahr
Ein Mann namens Ove

Lieblingsfeministin:
Laurie Penny – treffender auf den Punkt bringt es kaum jemand
Chimamande Ngozi Adichie- ohne Worte
Tine Plesch – meine Lieblings-Cultural-Studies Feministin und wie wahnsinnig gerne hätte ich sie kennengelernt.
Und auch du, Evi. Zusammen mit Wally.

Das Enttäuschendste an 2016:
Rechtsextremismus überall.
Das Versagen unseres Staates.
Und der Tod von so vielen Ikonen einer für liberale Werte stehenden Gesellschaft, was fast schon prophetisch-apokalyptisch anmutet.

Das Schönste an 2016:
Dass es bald vorbei ist.

Und die drei Gegenstände, welche ich immer dabei habe: Einkaufstasche, Taschentuch und Brillenputztuch.


MAGGIE BERNREUTHER

Lieblingssongs: Agnes Obel – familiar

Schlimmste Songs: Rolf Zuckowski – in der Weihnachtbäckerei (leider topaktuell wie nie 🙁 )

Lieblingsalben: Michael Kiwanuka – Love & Hate

Schlimmste Alben: The Notwist -Superheroes, Ghostvillain + Stuff (niemand braucht live Alben!)

Lieblingsserien:
The Get Down (bit cheasy, aber ich fand es gut.)
Star Trek – Das nächste Jahrhundert (schaue ich gerade zum ersten Mal seit meiner Jugend komplett an und bin begeistert)

Enttäuschendste Serien: Daredevil 2. Staffel

Lieblingsfilme:
Toni Erdmann
The First Avenger – Civil War (sorry, aber ich steh auf Iron Man, schäm)

Enttäuschendste Filme: Hail Ceasar (bis auf ein paar fantastische Szenen, fehlte mir der überraschende Twist)

Lieblingsbücher / Buchtipps: no time to read 🙁

Lieblings-Radiosender: Radio Z

Lieblings-ClubNight/Party: Nürnberg Soulweekender, Dancing with tears in my eyes

Übelste politische Ereignisse: Wahl von Donald Trump

Beste politische Aktionen: Zentrum für politische Schönheit – Flüchtlinge fressen

Lieblingsfeminist*in: Double U CC

Das Enttäuschendste an 2016: Die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer siegen wird

Das Beste/Schönste an 2016: Der Bürgerpreis des Bayrischen Landtages für Radio Z / Radio Lora

Sonstiges: Ich fürchte mich vor 2017. Ich habe Angst um vieles. Dass es vieles was mir wichtig ist bald nicht mehr geben wird. Dass die Kämpfenden, für das Schöne und Gute bald am Ende ihrer Kräfte sind. Das hat mir 2016 leider immer wieder gezeigt. Dass Vernunft und Liebe und soziale Gerechtigkeit immer noch nicht ein Teil unserer Gesellschaft sind.


JANA WERNICKE

Lieblingssongs:
2 am Decaf – Less Romance
Soft Grid – Minus Planet
Andy Shauf – Alexander All Alone
Car Seat Headrest – Drunk Drivers/Killer Whales
One Sentence. Supervisor – Hedera Helix

Lieblingsalben:
Sons of Noel and Adrian – Turquoise Purple Pink
Astronautalis – Cut The Body Loose
Royal Canoe – Something got lost between here and the Orbit
Andy Shauf – Party
Black Oak – Equinox

Schlimmste Alben:
Annenmaykantereit  – Alles nichts konkretes
(So aalglatt und belanglos, dass es noch nichtmal etwas gibt an dem man sich stoßen könnte. Das ist nicht nur schlecht, sondern vor allem langweilig und angepasst. Wenigstens der Titel passt.)

Serien:
Broadchurch
Stranger Things

Filme:
Paterson
Der Nachtmahr

Radiosender:
Radio Z

Lieblingskonzerte:
Soft Grid – MV40
Sometree am Marktplatz vom Storkow auf dem Alinæ Lumre Festival
Ceschi Ramos + Andy the Doorbum – Zentralcafe

Lieblingsfestival:
One of a Million Festival – Baden (CH)

Lieblingsvorträge:
Ringvorlesung Philosophie – Erlangen

Übelste Politische Ereignisse:
Viel zu viele, von denen die US-Wahl nur am deutlichsten sichtbar wurde

Lieblingsfeministin:
Jede Frau, die sich traut ganz selbstverständlich in eine Band zu gründen, aufzulegen oder sonst wie kulturell mitzumischen und somit das Nachtleben etwas bunter macht

Schönste:
Zugfahren um gute Freunde in tollen Städten zu besuchen


CARMEN ‘DOUBLE U CC’ WESTERMEYER

Lieblingssongs: Princess Nokia – Mine // Tommy Genesis – Angelina // Reykjavíkurdætur – Búinaðbangann

Schlimmste Songs: Lady Leshurr – Queen Speech 6 (ein guter Song braucht mehr, als nur andere Frauen ihres Aussehens wegen zu dissen)

Lieblingsalben / -EPs: Princess Nokia – 1992 // yunis – Eclat // Gantz – witch blues

Schlimmste Alben: Beginner – Advanced Chemistry

Lieblingsserien: BoJack Horseman!! –  The Knick – Haters back off!

Enttäuschendste Serien: Luke Cage – Stranger Things – Altes Geld

Lieblingsfilme: Borgman

Enttäuschendste Filme: Twinfruit: Die Dose muss menschlich werden

Lieblingsbücher / Buchtipps: Mithu M. Sanyal: Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts

Lieblings-(Online-)Magazine: Nachdenkliche Sprüche mit Bilder

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale: Lügenpresse – Postillon

Lieblingsblogs: Time for Girl Power

Lieblings-Radiosender: Radio Z 😉

Lieblings-Apps: Instagram

Lieblings-Konzerte: Tommy Genesis – Paigey Cakey – Marie Davidson

Enttäuschendste Konzerte: Gnucci

Lieblings-Vorträge:  thats why the lady is a fan

Lieblings-ClubNight/Party: Pitchblack !!! – Trouble in Paradise – MV40

Beste Memes: Nihilist Memes – Klassik Memes

Beste Social Media Plattform: Instagram

Schlimmste Social Media Plattform: Facebook

Übelste politische Ereignisse: alles rund um die vermeintliche „Flüchtlingskrise“

Beste politische Aktionen: #aufschrei, Team Gina Lisa

Lieblingsfeminist*in: Mithu Sanyal, – Maja Malou Lyse – curated by girls

Das Enttäuschendste an 2016: mein Unfall

Das Beste/Schönste an 2016: meine Freunde & Familie

Sonstiges: i#m up 4 2017!

Jahresendlisten-Attacke – Teil 1 ??

Ich habe schon immer eine Hassliebe zu Jahresendbestenlisten, aber die will ich hier gar nicht groß ausführen, nur eins: Es gibt zu wenige von Frauen! Um das zu ändern habe heuer mal lauter Lieblingsfrauen aus meinem Umfeld in Nürnberg gefragt, ob sie Zeit und Lust hätten für meinen Blog eine zu machen. So wurde meine erste Jahresendliste 2016 eine mit lauter großartigen Frauen aus der Nürnberger Ecke; Frauen, die sich mit allem möglichen beschäftigen – Kunst, Musik, Fotografie, Kochen, Film, Büchern, Sexualität, Menschrechtsaktivismus, Lehren, Reisen, Wissenschaft, Technik, Internetkram, Programmieren, Tanz, Politik, Gastronomie, Radio, Familie, und vieles mehr. Jeder davon verdanke ich ein bisschen von der Energie, die mich vorantreibt, und eigentlich hätte jede von ihnen einen langen Blogpost darüber verdient, warum ich sie so toll und interessant finde. Stattdessen aber überlasse ich lieber ihnen selbst den Platz, bzw ihren Jahresendlisten. Mehr davon! <3

Lange nicht alle haben mitgemacht, teils weil sie diese Listen nicht mögen, teils weil die Zeit nicht reichte (ihr könnt aber gern immer noch nachreichen!), oder – unsinnigster Grund! – weil sie denken, sie seien zu langweilig dafür. Aber es sind doch einige zusammengekommen, und die werde ich jetzt in drei Teilen veröffentlichen. Die Fotos zeigen übrigens jeweils drei Dinge, die diejenige das ganze Jahr fast immer dabei hatte, wenn sie unterwegs war.

Viel Vergnügen damit, hier kommen die ersten fünf: Lilly Urbat, Eva Drescher, Andrea Kuhn, Mo Bach und Jess Threat!

JESS THREAT

Lieblingssongs:
Hungry in the head von DEFECTORS
Quit your job von SNOB
G.L.O.S.S. (we’re from the future) von G.L.O.S.S.

Lieblingsalben: drei von vielen:
SYNTHETIC ID Impulses LP
ANXIETY s/t 12″
CULT VALUES s/t Lp

Lieblingsserien:
BROADCHURCH
STRANGER THINGS
WESTWORLD

Lieblingsbücher / Buchtipps: Die Dada Baroness – das wilde Leben der Elsa von Freytag-Loringhausen

Lieblings-Radiosender: Radio Z, weil ich seit 8 Jahren dank DIY or die aktuelle Punkplatten vorstellen kann

Lieblings-Konzerte:
SHOPPING im K4/Nbg
NADIE + GOOD THROB im West Germany/Berlin
SNOB + NACHTHEXEN im P31/Nbg

Übelste politische Ereignisse: Zu viele…aber wohl auch: Trump. Dark days ahead of us.

Lieblingsfeminist*in: Anita Sarkeesian, Burschenschaft Hysteria

Das Enttäuschendste an 2016: Das gesamte Jahr war nur eine Folge von Twilight Zone, oder? Oder?!

Das Beste/Schönste an 2016: einen guten Plan für 2017 aushecken


MO BACH

Lieblingssong: We The People – A Tribe Called Quest

Lieblingsalbum: Michael Kiwanuka – Love & Hate

Schlimmstes Album: Bon Iver – 22 a million

Lieblingsserie: Modern Family

Enttäuschendste Serie: The Get Down (Netflix)

Lieblingsfilme: What Happened Miss Simone

Enttäuschendster Film: Avengers – Civil War

Lieblingsbuch / Buchtipp: Die weiteren Ausichten – Robert Seethaler

Lieblingsmagazin: Chap Magazine (nicht online)

Lieblings-Radiosender: Radio Z

Lieblings-App: Hay Farm

Lieblings-Konzert: Tindersticks – München Kammerspiele

Enttäuschendstes Konzert: Wrongkong – Festsaal

Lieblings-Vortrag: Edel Extra – Was ist Kunst?

Lieblings-ClubNight/Party: Dancing With Tears In My Eyes

Schlimmste Social Media Plattform: Tinder

Übelstes politisches Ereignis: Brexit

Beste politische Aktion: Als Schulz einen Abgeordneten rausgeworfen hat

Lieblingsfeminist*in: PJ Harvey (always)

Das Enttäuschendste an 2016: Bauabschnitt 3 (Künstlerhaus/K4/KOMM)

Das Beste/Schönste an 2016: Mathilde zu sperren und gut damit sein


ANDREA KUHN

Lieblingsalben: Lucinda Williams – The Ghosts of Highway 20

Lieblingsserien: sagen wir: guiltiest pleasure (auf Empfehlung eines jungen indischen Lesbenpärchens!): Lost Girl (und das ist nun wirklich keine objektiv gute Serie, aber eine hingebungsvoll enthemmte Heldinnengeschichte, die statt auf Testosteron und faschistoide Lone-Wolf-Held auf Stärke durch Loyalität und Freundschaft baut)

Enttäuschendste Serien: House of Cards

Lieblingsfilme: Toni Erdmann – keine Frage!

Enttäuschendste Filme: I, Daniel Blake, mag Ken Loach wirklich gerne, bin aber zunehmend mehr gelangweilt von Männer-Melodramen, egal, wie wohlgemeint sie sind

Lieblingsbücher / Buchtipps: Didier Eribon: Rückkehr nach Reims

Lieblings-(Online-)Magazine: Al Jazeera English Features für einen internationaleren Blick auf die große weite Welt und nicht nur das, was wir hier in den Nachrichten wahrnehmen

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale: New York Times

Lieblingsblogs: Medico, da gibt es intelligente und reflektierte Informationen aus unserer durchgeknallten Welt

Lieblings-Radiosender: natürlich unsere Freund*innen von Radio Z

Lieblings-Apps: ISS-Detektor – echt!

Lieblings-Vorträge: Resisting Resilience. Mark Neocleous (hier in Abschrift und mit Video – ist eigentlich aus dem Vorjahr, aber so gut, dass er auf die Liste musste!

Lieblings-ClubNight/Party: oh je, party pooper, me

Beste Social Media Plattform: Facebook, weil’s die einzige ist, die ich nutze – und das nur beruflich

Schlimmste Social Media Plattform: Facebook

Übelste politische Ereignisse: Der Nationalismus, der überall aus den Ritzen kriecht, und die Parteien und Leute, die ihm den Mund reden

Beste politische Aktionen: der nationale und internationale Protest gegen die politisch motivierte Anklage meiner Festival-Kollegin Lena Hendry in Malaysia, der half, einen juristischen Sieg zu erringen, leider ging die Regierung in Berufung und z. Zt. steht Lean wieder vor Gericht – mit Aussicht auf bis zu drei Jahren Haft für das Zeigen eines Films!

Lieblingsfeminist*in: Mhairi Black, schottische Abgeordnete

Das Enttäuschendste an 2016: Brexit

Das Beste/Schönste an 2016: meine Teilnahme am KASHISH Mumbai International Queer Film Festival, so großartige Leute kennengelernt, viel Spaß gehabt und außerdem noch die LGBT Community vor Ort getroffen, Filme gesehen und wurde fast auf Händen getragen. Langfristige Freundschaften (hoffentlich) geschlossen!


EVA DRESCHER

Lieblingssongs:
Eagulls – Nerve Endings
Diät – Young and Successful

Lieblingsalben:
Disappears – Irreal
David Bowie – Blackstar

Lieblingsserien:
Braunschlag
Altes Geld

Lieblingsbücher / Buchtipps:
Horzon – Das weiße Buch
Uwe Timm – Halbschatten

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale:
jungle world
taz

Lieblingsblogs: Breaking The Waves

Lieblings-Radiosender:
BR 2
Deutschlandfunk

Lieblings-Konzerte:
Shopping (K4, Nürnberg)
Human Abfall & Mosquito Ego & SUV (K4, Nürnberg)
XyeahX Summer Fest (Cairo, Würzburg)

Lieblings-Vorträge:
Wolfgang Seidel: Wir müssen hier raus! – Krautrock, Free Beat, Reeducation

Lieblings-ClubNight/Party:
Dancing With Tears In My Eyes

Lieblingsfeminist*in:
Sibylle Berg


LILLY URBAT

Lieblingssongs:
Hold Up (Beyonce)
Tomboy (Princess Nokia)
Miley Cyrus – Wrecking Ball (DJ Detweiler Remix).

Schlimmste Songs: Alles von Fifth Harmony und „Guantanamera“.

Lieblingsalben:
Lemonade (Beyoncé)
World Vision (Tommy Genesis)

Schlimmste Alben: Glory (Britney Spears).

Lieblingsvideoarbeit:
Nightlife (Cyprien Gaillard)
Massage the History (Cameron Jamie)

Lieblingsfilme:
Belladonna of Sadness (Eiichi Yamamoto)
Above and Below (Nicolas Steiner)
Love (Gaspar Noe).

Lieblingsbücher / Buchtipps: Cora Frost – Mein Körper ist ein Hotel.

Lieblings-(Online-)Magazine:
Interview
i-D (Vice)
Real Life

Lieblings-Zeitungen/Online-Nachrichtenportale:
Hab Anfang 2016 mein Freitag Abo gekündigt. Jetz les ich quer. hm. vllt Guardian.

Lieblingsblogs/vlogs:
Wait But Why
Mary Jane (Snoop Doggs Youtube Kanal).

Lieblings-Radiosender: Z. Besonders die Sendung 404 ^^. Podcast bleibt 2016 der Realitätsabgleich.

Lieblings-Apps:
Snapchat
Sleep Better
Clue

Lieblings-Konzerte:
Tommy Genesis (Trouble in Paradise, Zentralcafé)
Sarah Farina (Fusion)
POLIZEI (Absolventenausstellung AdBK).

Enttäuschendste Konzerte: The Robocop Kraus. Aber es tut mir so leid das hinzuschreiben!

Lieblings-Vorträge:
Deiner, „That’s Why The Lady Is A Fan“
Prof. Kerstin Stakemeier und Dr. Lars Blunck, „Konsequenzen der Kunst“. Überhaupt ist Kerstin Stakemeier badass!

Lieblings-ClubNight/Party:
C L O S E R (Z-Bau)
Trouble in Paradise (Zentralcafé)
Mike Skinner DJ Set (Freund und Kupferstecher, Stuttgart)

Beste Memes: Da bin ich raus. Aber shoutouts zu den Zeichnungen von @filthyratbag (Celeste Mountjoy).

Beste Social Media Plattform: Youtube. Ich werd immer älter und Youtube lebt.

Schlimmste Social Media Plattform: Whatsapp.

Übelste politische Ereignisse: Ich kann das nicht gegeneinander aufwiegen.

Beste politische Aktionen: Meine Schwester, die ihrem alten (Schul)Freund Markus Söder gestern auf Facebook öffentlich ins Gewissen geredet hat. ^^

Lieblingsfeminist*in:
Tschan Andrews
Kerstin Stakemeier
double u cc

Das Enttäuschendste an 2016: Immer noch viele Menschen vergessen regelmäßig ihre Meinung upzudaten.

Das Beste/Schönste an 2016: Ich hab nichts gearbeitet auf das ich keine Lust hatte.

Bestes Festival: Vigyázz

Bester Kunstverein: Edel Extra

Bestes Medikament: Liebe

Fühlst du dich sicher? Facebooks Beunruhigungs-Check

Als ich das erste Mal von Facebooks Safety Check Feature hörte, fand ich es eine großartige Sache. Das war zu einer Zeit, als es nur bei Naturkatastrophen eingesetzt und von einem Team betreut wurde. Es schien eine praktische Möglichkeit zu sein, mehrere Menschen zugleich übersichtlich über dein Wohlbefinden zu informieren, auch wenn Handynetze zusammenbrachen.

Ranking von menschlichem Unglück

Als Facebook dazu überging, den Safety Check auch für Terroranschläge einzusetzen, kam es in die Kritik, dass hier eine US- und EU-zentrische Wertung von Menschenleben stattfände, denn das Feature war zwar beim Anschlag in Paris aktiviert worden, aber nicht am Tag zuvor bei dem Anschlag in Beirut. Damals begründete Zuckerberg das damit, dass sie bis Paris das Tool nur für Naturkatastrophen eingesetzt hätten, und Beirut eben einen Tag vor dieser Ausweitung geschah.

Bereits damals, November 2015, wurde von vielen in den Comments jedoch trotzdem beklagt, dass diese Begründung nicht erkläre, warum der Safety Check in einem Gebiet wie Aleppo auch nach Paris nicht geschaltet wurde. Es wurde von manchen vermutet, dass dort ein anderer Schwellenwert für menschliches Unglück angelegt wurde. Auch die Journalistin Domenika Ahlrichs erwähnt in einem Interview für Wired/DetektorFM nach dem Anschlag in Berlin, dass sie den Safety Check für sich selbst in Berlin als seltsam unangemessen empfand, gerade auch weil die Tage vorher die Zerstörung von Aleppo die humanitäre Katastrophe war, die alle beschäftigte und das Feature für die Menschen dort nicht freigeschaltet worden war. In diesselbe Richtung ging die Kritik der Journalistin Molly McHugh in einem Text darüber, wann Facebook eins seiner Beileids-Flaggen-Avatar-Features freischaltete und was das auch für Kontroversen unter Usern nach sie zog: “Facebook has put itself in the business of ranking human suffering, and that’s a fraught business to be in. Facebook is built on ranking things that matter and how much, like which BuzzFeed quizzes you see in your News Feed or which friends’ photos show up the most. But it’s deeply uncomfortable—disturbing, really—when that same idea is applied (even with what I have to imagine are different metrics) to disaster and death.”

Nun, etwas als flächendeckende Gefährdung von Menschenleben einzustufen, das ist keine Entscheidung, um die man irgendjemanden beneiden würde, da sie komplex ist und eine große Verantwortung daran hängt. Menschen verhalten sich anders, oft gefährlich irrational, wenn sie in Panik geraten, Angst haben, deswegen wird bei Falscheinschätzungen die Presse oder Regierungsbehörden auch auf Schärfste kritisiert. Und bei ihnen lag lange das Monopol über weitreichende Meldung und Einordnung von Katastrophen. Die Entscheidungen fallen da auch durchaus verschieden aus, so waren die behördlichen Katastrophen-Warn-Apps KatWarn und Nina meines Wissens z.B. für Berlin nicht aktiviert, in München schon. Daneben informieren sich inzwischen auch viele nicht mehr direkt auf Medienwebsites oder TV Nachrichten, sondern über Social Media.

Katastrophen verstehen via Social Media

Ich nutze am liebsten Twitter. Anders als wenn ich eine Nachrichten- oder behördlichen Meldung 1:1 als Information akzeptiere, funktioniert das Verstehen einer Katastrophe oder eines Anschlags auf Social Media anders. Auf Twitter kann ich via meiner Listen-Timelines oder auch eines Hashtags recht schnell ein Bild der Lage herausfiltern. Aus einer wilden Mischung von Tweets von Journalist*innen, Polizei, Augenzeug*innen, Politiker*innen und einem Haufen Menschen, die das Ereignis einzuschätzen versuchen, und mit Retweets und Kommentaren in einer Art Hive Mind Sachverhalte verifizieren, aber sich auch Zuspruch spenden, sich beruhigen, sich mitteilen welche Accounts oder Hashtags gerade Wichtiges beitragen, oder auch sich zu warnen, vor Gefahr ebenso wie vor dem Weitertragen von möglichen Falschmeldungen – daraus kristallisiert sich ein Bild der Ereignisse.

Auf Facebook funktioniert das nicht so gut, schon allein weil die Timeline nicht chronologisch und auch zu stark gefiltert ist, um für Echtzeitereignisse zu taugen. Ich bekomme zum Beispiel regelmäßig Postings über eine Veranstaltung erst einen Tag zu spät in meinen Newsfeed gespült. Aber so im Groben ist Facebook darin besser geworden, inzwischen auch zeitnah eine Mischung aus privaten Postings und News zu einem Ereignis in meinen Newsfeed durchzulassen, durch die sich ein grobes Bild des Geschehens machen lässt. Mit dem Schritt zum Aktivieren des Safety Checks allerdings, wenn es mit Push-Nachrichten aktiv Menschen über eine Katastrophe informiert, macht Facebook den Schritt zu einer Autorität, die sich über den Newsfeed erhebt und wird zu einer Mischung aus Social Tool, Nachrichtenmedium und Katastrophenwarndienst.

Mischung aus Social Tool, Nachrichtenmedium und Katastrophenwarndienst

Was für einen Effekt hat das? Als ich zwischen zwei Tassen Feuerzangenbowle und gemütlichen Gesprächen am Abend des Anschlags von Berlin einen Blick auf Twitter warf, fand ich die oben beschriebene Mischung von Tweets vor und hatte schnell die Information: was passiert war, grobe Opferzahlen, dass es noch keine Einordnung als Terroranschlag gab. Zu diesem Zeitpunkt hätte es auch ein Unfall sein können. Als ich Facebook aufrief, begrüßte mich dagegen die Meldung dass 138 meiner Freund*innen bei einem Anschlag draufgegangen sein könnten. Das versetzte mir – trotz des Wissens von Twitter her – schon mal eben einen ganz schönen Adrenalinstoß. WTF?! Und ich fand auch keine Option, um es ausschalten zu können. Von den 138 meiner Freund*innen, die Facebook (zum Teil fälschlicherweise) in Berlin verortet hat, sind bis heute gerade mal 67 als “safe” markiert. Was bringt mir so ein Tool? Soll ich panisch alle 67 anschreiben, ob sie unter den 12 Toten waren? Und ging es dem Rest auch wirklich gut, denn: Personen können auch von anderen als “safe” markiert werden. Jemand berichtete auch, dass sie, als sie sich als “Not in the area” markierte, als “Location unknown” gelistet wurde – auch nicht gerade beruhigend, da es als “gilt als vermisst” verstanden werden kann.

Es war nicht nur die zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht von offiziellen Quellen bestätigte Einordnung als “Anschlag”. Es war auch das Charakteristikum des Social Tools, das mich störte, denn das hat eben einen anderen Fokus als Nachrichten: Es macht dich zum Zentrum des Ereignisses, es ist personalisiert. Wo ich auf Twitter Solidarität mit Fremden empfinde, ich mich dort gerade in solchen tragischen Momenten von einem Gemeinschaftsgefühl aufgehoben fühle, schafft es Facebook immer wieder mit seiner Art der Personalisierung das unmöglich zu machen, Brüche zu den Menschen und in einem gemeinsamen Erleben zu schaffen. Sei es durch die Filterung, die zeitlich versetzte Postings bringt, oder sei es, indem es bei special Features von Memories bis zu Safety Check mein Erleben so sehr ins Zentrum stellt, und bei letzterem in der Form, mir eine große Auswahl meiner Freund*innen als mögliche Terroropfer vor den Latz zu knallen.

Und genau das tut es: es wirkt wie ein Nachrichtenmedium, das vom Schlimmstmöglichen ausgeht. Es erinnerte mich daran, wie ein viel verbreiteter Tweet am nächsten Tag zwei Zeitungstitelseiten nebeneinander stellte:

Facebooks Safety Check war sowas wie die BILDZeitung unter den Social News.

Wie kam es zu der Einordnung als Anschlag (Erst hieß es “Anschlag”, dann “Gewalttat”, dann “Vorfall” – inzwischen wieder “Anschlag”.), obwohl die offiziellen Behörden das noch nicht bestätigt hatten? Nun, bis vor kurzem hatte Facebook ein Team von Menschen, die einen Safety Check erst freischalten mussten. Inzwischen aber haben wir es mit einer automatisierten Auslösung zu tun, zu der Patrick Beuth in der ZEIT die Facebook-Sprecherin zitiert: “Stojanow sagt, sobald bestimmte Begriffe wie Feuer, Erdbeben oder auch Anschlag in einer Region so häufig von Facebook-Nutzern gepostet werden, dass sie einen Schwellenwert überschreiten und die entsprechende Nachricht auch von externen Dritten verbreitet wird, denen Facebook vertraut, löst der Safety Check automatisch aus. Diese Dritten können zum Beispiel lokale Medien sein.” Von menschlicher Hand wird bei Facebook dann erst nachgebessert, wenn Nachrichtenmedien Genaueres berichten, schreibt Chris Köver im Wired, und ergänzt: “Die Mühe, Angaben selbst bei den Primärquellen nachzuprüfen, in diesem Fall der Berliner Polizei, macht sich Facebook jedoch nicht.” Offensichtlich wurde nicht mal auf der Facebookseite der Berliner Polizei nachgelesen. So kam es denn zu chaotischen Informationen: Im Falle Berlins musste sogar der Ort nachgebessert werden, anfangs stand “Berlin-Heinersdorf” im Safety Check.

Einen anderen Fall gab es vor ein paar Tagen und auch er zeigte, dass eine Verifizierung aus guten Gründen zur journalistischen Verantwortung gehört: Facebook gab einen falschen Safety Check wegen einer großen Explosion im Stadtzentrum von Bangkok heraus. Basis dafür waren wohl ein Demonstrant, der kleinere Böller auf ein Regierungsgebäude warf und eine Fake-Newsmeldung, die ein BBC-Video von einer Explosion aus dem Vorjahr verwendete. Als Facebook den Safety Check – automatisiert – ausgelöst hatte, markierten sich unter anderem auch Journalist*innen, da sie Facebook als Quelle ernst nahmen. Da sie wiederum zu den Personengruppen gehören, die anderen als Verifizierungsinstanz dienen, bestätigten sie damit versehentlich die Falschmeldung noch zusätzlich. Ein anderes Mal wurde für ganz Chicago wegen eines “violent crime” der Safety Check ausgelöst. Dann wieder war es ein längst gelöschtes Feuer in Dallas, dass das Feature auslöste.

Einerseits werden hier also klassische öffentliche Informations-Infrastrukturen von Facebook mit einem eigenen Feature durchbrochen, andererseits übernimmt Zuckerberg keine Verantwortung für Fehler. Für so ein soziales Herumexperimentieren im learning by trial and error-Stil am lebenden Objekt wäre weder für Nachrichtenmedien noch für staatliche Behörden akzeptabel, aber bei Facebook nehmen es viele kritiklos hin. Heuer war überhaupt das erste Mal, dass Zuckerberg von seinem Standpunkt abwich, dass sie ja nur neutrale Technologie schaffen würden, durch die Information fließe: Er hat einen Bruchteil von Verantwortung an der Verbreitung von Fake-News eingeräumt.

Die Korrektur von Falschmeldungen, egal ob sogenannte Fake-News oder Fehler beim Safety Check übernimmt jedes Mal die Presse, und Facebook gibt nur widerwillig Kommentare dazu ab. Von guter Absicht, von Neutralität dank Automatisierung und von ständiger Verbesserung wird dann geschwatzt – und die User seien quasi selber schuld, denn der Safety Check wird “initiated by people … and not by Facebook itself”. Den wenigsten Usern ist allerdings überhaupt bewusst, dass sie durch ein Posting, in dem sie den Verdacht äußern, dass in ihrer Nähe ein Anschlag stattgefunden haben könne, auf die Auslösung eines Safety Check einwirken. Und, ganz soziales Datenexperiment, das Facebook auch ist, zählt die uninformierte spontane Meinung mehr als die informierte, sich einer Verantwortung bewussten, und auf einen Kontext hin formulierte Äußerung. (vgl. dazu auch Zuckerbergs Utopie von Telepathie als “ultimate communication technology”, die William Davies in einem Artikel für den Atlantic in Zusammenhang mit einer Philosophie des Neuromarketing bringt: “People lie, brains don’t. Observe what people really feel, the thinking goes, rather than what they say they feel.”)

Die User als uninformierte Versuchskaninchen und als eigentlich Verantwortliche

Die User sind also für Facebook gleichzeitig verantwortlich andererseits aber uninformierte Versuchskaninchen für das Große und Ganze, für die Optimierung von Facebook als sozialer Infrastruktur unserer Gesellschaft. Facebook als Plattform für soziale Experimente machte 2014 Schlagzeilen, als sie Usern über einen begrenzten Zeitraum nur positive oder nur negative Meldungen in ihrer Timeline zeigten, um zu testen, ob Emotionen ansteckend seien. Ethisch wäre das sonst ziemlich fragwürdig, aber im Falle von dem sich gern als humanitär darstellenden Facebook kam es denn schon auch zu solchen Verteidigungen: “it’s worth keeping in mind that there’s nothing intrinsically evil about the idea that large corporations might be trying to manipulate your experience and behavior. Everybody you interact with–including every one of your friends, family, and colleagues–is constantly trying to manipulate your behavior in various ways. … So the meaningful question is not whether people are trying to manipulate your experience and behavior, but whether they’re trying to manipulate you in a way that aligns with or contradicts your own best interests.“

Trotz aller Faszination und Liebe zu sozialen Netzwerken, oder eher gerade deswegen, stehe ich da aber schon ganz hinter Zeynep Tufekci, die in “Engineering the Public” schreibt: “resignation to online corporate power is a troubling attitude.“ Gerade weil ich diese Infrastrukturen viel nutze, will ich auch wissen, was für Gedanken hinter einem Design stecken könnten, warum sie wie funktionieren usw. Ich wünschte mir auch hierzulande deswegen mehr gute Texte von Webtheoretiker*innen, die Soziologie, Datenwissenschaft und Design kritisch zusammendenken und damit diese neuen Infrastrukturen für die Öffentlichkeit sezieren. Gerade der Safety Check ist ja auch ein gutes Beispiel dafür, dass es längst nicht (mehr) ‘nur’ um Kaufanreize geht, und da lohnt sich wieder mal die Frage: Warum greift Facebook immer wieder zu Automatisierung, wenn diese immer noch so fehleranfällig ist und nicht komplex genug arbeitet?

Typischer Facebook Move: Auf Kritik an Neutralität mit Automatisierung reagieren

Ich erinnerte mich an die Geschichte mit den Trending News, einem Feature, das bei mir nur manchmal eingeblendet wird, in den USA aber wohl für alle geschaltet wird, und das die wichtigsten Themen, die User derzeit bewegen, anzeigt – im Idealfall also sowas wie ein Nachrichtenticker. Als Michael Nunez enthüllte, dass regelmäßig “conservative” Meldungen unterdrückt wurden und die Auswahl der Trending News nicht neutral sei, reagierte Facebook mit der Entlassung der letzten 18 redaktionellen Trending-Mitarbeiter*innen und automatisierte den Auswahlprozess, d.h. es gibt nur noch ein Team, das den Auswahlalgorithmus verfeinert, aber keines mehr, das die ausgewählten Meldungen auf Wahrheitsgehalt oder Qualität prüft. Auch bei diesem Facebook Feature funktionierte das ganz und gar nicht gut, sondern führte dazu, dass innerhalb kürzester Zeit übelste Falschmeldungen von Clickbait-Websites in den Trending Topics auftauchten, sowie Artikel Themen zugeordnet wurden, mit denen sie nichts zu tun hatten.

Dieser Rückzug auf Automatisierung statt menschlichem Urteil ist typisch für Facebook, wann immer es dafür kritisiert wird, dass es keine neutrale Plattform sei. Auch als es dafür kritisiert wurde, dass die Inhalte, die ein User im Newsfeed sehen würde, durch das personalisierte Aussortieren eine Filterbubble schaffen würden, wurde sich hinter dem angeblich neutralen Algorithmus versteckt, den die User doch selbst mit dem füttern, was sie sehen wollen: “It’s not that we control NewsFeed, you control NewsFeed by what you tell us that you’re interested in,” so ein Facebook-Mitarbeiter. Aber wie Jay Rosen, Journalismus Professor und Medienkritiker, schreibt: “It simply isn’t true that an algorithmic filter can be designed to remove the designers from the equation.”

Behauptete Neutralität soll Verantwortung auf User schieben

Nathan Jurgenson, Internettheoretiker und Soziologe, hat das noch genauer ausgeführt: “conceptually separating the influence of the algorithm versus individual choices willfully misunderstands what algorithms are and what they do. Algorithms are made to capture, analyze, and re-adjust individual behavior in ways that serve particular ends. Individual choice is partly a result of how the algorithm teaches us, and the algorithm itself is dynamic code that reacts to and changes with individual choice. Neither the algorithm or individual choice can be understood without the other.”

Nichtsdestotrotz soll die Verantwortung mit einer behaupteten Neutralität hin zu den Usern verschoben werden: “To ignore these ways the site is structured and to instead be seen as a neutral platform means to not have responsibility, to offload the blame for what users see or don’t see onto on the users. The politics and motives that go into structuring the site and therefore its users don’t have to be questioned if they are not acknowledged.”

Auch im Hinblick auf Safety Checks ist das zu beobachten, wie Journalistin Bettina Chang schreibt: “Facebook emphasizes that the community-generated alert is an automatic feature that doesn’t imply any sort of judgment on the event, but rather relies on the reporting of Facebook users themselves and their friend networks.” Klar, und wenn alle User immer Facebook über ihren richtigen Aufenthaltsort informieren würden und nichts Sarkastisches, Vermutetes, oder gar poetische Sprache posten würden, nie etwas ironisch liken würden, also wenn alle User sich so verhalten würden, wie Facebook “Ehrlichkeit” oder “Authentizität” definiert, dann würde alles auf Facebook bestimmt auch viel besser funktionieren. Der Versuch der Verantwortungsverschiebung auf die User ist letztlich nur, wie Jurgenson sagt, ein “ideological push by Facebook to downplay their own role in shaping their own site”.

Beim Safety Check Feature ist wie gesagt gerade ein ähnlicher Ablauf wie beim Trending Feature zu sehen: Ursprünglich wurde es von einem Team von Menschen auf der Basis von “Medienquellen und Polizeiberichten” aktiviert. Nachdem Kritik an den Auswahlkriterien dafür, was als Katastrophe galt, laut wurde, zog Facebook das Team ab, automatisierte den Prozess, und behauptete, damit hätten sie sich selbst als beeinflussender Faktor aus der Gleichung genommen. Damit läge die Verantwortung bei Usern, die auf Facebook ängstliche Vermutungen posten, das etwas passiert sein könne, oder Usern, die Nachrichtenmeldungen dazu posten, und bei “Drittquellen”, die, wie beim falschen Alarm in Bangkok, schon auch mal sogenannte “Fake News”-Websites sein können.

In Sachen Verantwortlichkeit bin ich da aber ganz bei Chris Kövers Resümée im Wired: “egal, wie viele Nutzer auf Facebook zu einem frühen Zeitpunkt schon über einen ‘Anschlag’ diskutierten, diese Bezeichnung kann von Facebook nicht einfach übernommen werden. Wenn ein Feature, dessen erklärte Absicht es sein soll, Menschen in einem KrisenmomentZeiten der Krise zu beruhigen, stattdessen Millionen von Pushmitteilungen auf der ganzen Welt versendet, in denen von einem Anschlag die Rede ist, lange bevor dies bestätigt ist, dann dient das nicht der Beruhigung, sondern der Panikmache.” Und das kann in solchen Momenten überhaupt erst Gefahr hervorrufen. Dazu noch ein Beispiel für eine Falschauslösung: Facebook löste den Safety Check bei einer friedlichen Black Lives Matter Demonstration ein und kennzeichnete damit die Protestveranstaltung als viel gefährlicher, als sie war. In einer bereits geladenen Atmosphäre ist so etwas alles andere als deeskalierend, und es kann auch Menschen so verängstigen, dass sie darauf verzichten, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen.

Mehr Verantwortung fordern

Es ist dabei völlig egal, ob ein Feature wie der Safety Check durch einen Algorithmus oder aus menschliche Einschätzung heraus ausgelöst wird – wir sollten von Herstellern von Tools, die solch eine zentrale gesellschaftliche Rolle einnehmen wollen, mehr Verantwortlichkeit fordern. Wir sollten mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass solche Dinge auch anders funktionieren könnten und nicht immer einfach nur die treudoofen Crash Test Dummies spielen, die einem vermeintlich geschenktem Gaul nicht ins Maul schauen wollen. Gut gemeint ist nicht gut genug, vor allem, wenn sich die Zuckerbergsche Definition von “gut” eventuell gar nicht mit deinem Verständnis davon deckt. Und die Kritik kommt langsam voran. Charlie Warzel hat heute einen Jahresrückblicksartikel veröffentlicht, der 2016 als das erste Jahr sieht, in dem Menschen so richtig bewusst wurde, dass es sich bei all den digitalen Plattformen um Infrastrukturen handelt, die unser Leben beeinflussen und nicht nur um irgendwas Nicht-Reales im Netz, das sich jederzeit ausschalten ließe, und dass es auch das erste Jahr sei, indem große Plattformen wie Facebook, Uber, Twitter oder AirBnB mal soweit zur Verantwortung gezogen wurden, dass sie es nicht mehr einfach so an sich abprallen ließen: “Until recently, Facebook’s unofficial engineering motto was “Move fast and break things” — a reference to tech’s once-guiding ethos of being more nimble than the establishment. “Move fast and break things” works great with code and software, but 2016’s enduring lesson for tech has proven that when it comes to the internet’s most powerful, ubiquitous platforms, this kind of thinking isn’t just logically fraught, it’s dangerous — particularly when real human beings and the public interest are along for the ride.”

In diesem Sinne, werte Leser*innen, auf ein kritisches und überhaupt ganz großartiges neues Jahr!

*klopft sich auf die Schulter, weil sie doch noch ein Blogposting in 2016 geschafft hat und macht sich auf ins Raclette-/Fondu-/Sekt-Getümmel* ????

Zynismus, Politics und Trump

K4 / Künstlerhaus Nürnberg. Photo: eve massacre

Seit Tagen oder Wochen will ich als reflektierendes Nachbeben zur Trump-Wahl bloggen. Doch wo anfangen? Was gibt es noch Sinnvolles zu ergänzen? Ich versuche es jetzt einfach mal, weil Bloggen für mich immer eine gute Methode war, um Gedanken zu sortieren und einzuordnen. Und ich wollte mir sowieso wieder den Anspruch abgewöhnen, dass Blogposts immer ausgereifte fertige Artikel sein müssen.

Ich nehme mal ein Stöckchen auf, dass mir in den sozialen Medien hingeworfen wurde. Als ich am Morgen nach der Wahl aufwachte und mein Handy unter die Bettdecke zog, um einen Blick auf Twitter zu werfen, verriet mir schon die bloße Zahl der Tweets, die über Nacht angefallen waren, dass er gewonnen hatte. Diese Zahl ist tatsächlich zu sowas wie einem Indikator für mich geworden, dass schon wieder etwas Schreckliches passiert ist. In solchen Moment haben viele Menschen mehr Kommunikationsbedürfnis, wollen ihr Entsetzen äußern, werfen mehr Leinen aus, die andere kommentieren, oder auch einfach nur tröstend mit Favs und Retweets auffangen, kleine Signale der Verbundenheit, Twitter kann da sehr gut tun. Ich verfalle da immer eher in Schweigen, wenn mich etwas so hart trifft wie die Nachricht von Trumps Sieg. Es war wirklich ein taubes Gefühl der Unwirklichkeit, gefolgt vom langsamen Heranrollen der Ahnung, was das für viele Menschen in den USA – und anderswo – an Tragödien mit sich bringen wird. Nicht nur in Form von Trumpscher Politik, sondern auch im Alltag, wo sich die Diskriminierungen und gewalttätigen Übergriffe gegen Marginalisierte auch tatsächlich alsbald häuften, fühlten sich doch die Rechten in ihrem Hass und in ihrer verqueren Opferlogik bestätigt. Und es traf mich auch in dem Bewusstsein, was das für Rechte weltweit für ein verstärkendes Signal sein würde – auch für AfD, CSU, Identitäre und Konsorten. Neben den ganzen zutiefst betroffenen Meldungen, tat sich alsbald eine abgeklärte Variante auf, die schrieb, dass, wer darüber schockiert sei, dass Trump zum Präsidenten gewählt wurde, zu einer ignoranten oder weltfremden Elite gehöre. Ich halte das für zynisch. Ich bin schockiert, weil ich mich weigere, meine Hoffnung aufzugeben, noch weiter abzustumpfen oder zu verbittern.

Mir ist Zynismus durchaus nahe. Er liegt mir. Er passt zur Hoffnungslosigkeit. Er schafft Distanz, nicht nur zu seinem Thema, auch zu Menschen. Und ja, ich empfinde die Welt als zutiefst kaputt und destruktiv. Aber ich glaube an nichts außerhalb oder danach, deswegen scheint es mir, das einzig Sinvolle zu sein, das beste aus dem Hier und Jetzt herauszuholen, aber dabei nicht nur in blanken Hedonismus zu verfallen, sondern parallel auch noch dazu beizutragen, die Welt ein Stück lebenswerter zu machen. Das ist vielleicht auch der Grund ist, warum ich mich als Autorin und DJ und Veranstalterin so wohl fühle: Es sind Positionen, in denen ich dazu etwas beitragen kann, dass sich Menschen inspiriert fühlen, oder zum Widerspruch angeregt, oder ein Konzert, eine Clubnacht lang aufgehoben und glücklich. Gleichzeitig ist mir zufriedene Geselligkeit aber auch immer ein Stück weit suspekt, kann, nein, darf nur ein zeitlich befristeter Zustand sein. Eine Basis, die Kräfte für kritisches Weiterdenken und -arbeiten sammeln lässt.

Und wenn ich schon gerade ein bisserl persönlicher werde: Ich bin in einer Zeit, in einer Welt aufgewachsen, in der versucht wurde, möglichst alles nach außen hin in Zuckerwatte zu hüllen, in der es galt, Brüche in Gesellschaft und Familie schön zu übertünchen. Es galt, aufzupassen, dass nichts von der Gewalt und Hässlichkeit durchscheint, die sich hinter verschlossenen Vorhängen abspielte – egal ob auf großer politischer Bühne oder hinter frischgestärkten Reihenhausgardinen. Dank einiger großartiger Menschen, wurde ich aber zum kritischen Denken erzogen, und traute mich alsbald, gegen Missstände den Mund aufzumachen, auch wenn das hieß, sich unbeliebt zu machen, Menschen zu verlieren. Zynismus bis hin zum beißenden Sarkasmus erwies sich da als wohltuende Waffe, um scheinbare Harmonien zu zerreißen, unter denen Misstände verborgen wurden. Ich habe ihn als provokative Waffe von Marginalisierten oder von politischer Kritik kennen- und schätzengelernt, aber diese Zeiten sind vorbei, das Blatt hat sich längst gewendet. Zynismus ist schon lange im Mainstream angekommen, es ist die alltäglichste aller Waffen geworden, die längst von oben nach unten genutzt wird. Nun, zerrissene zynische Abgründe nach außen zu tragen ist nicht mehr konstruktiv disruptiv, es zieht andere runter, entsolidarisiert, es ist kein Fundament, verharrt in der rebellischen Pose der Verachtung der anderen. Das war es letztlich, was mich immer an den Zynismen störte, die von professionell-wortgewandten Social Media Journalist*innen, die mit der Moderation von Facebook- und anderen Kommentarbereichen betreut sind, gerne gegen die “dummen” rechten Kommentare eingesetzt wurden. Das schürt nur ein Feuer.

Nehmt Fernsehen: Von Harald Schmidt, der vielleicht als erster Zynismus massentauglich gemacht hat, bis hin zu der Kommentarstimme, die seit Jahren über all den Reality Soaps und -Shows liegt, in denen Menschen sich in so ziemlich allen Lebenssituationen aneinander messen und sich für wenig Geld und Ruhm demütigen lassen. Neben zahllosen Talkshows, die in den Nullern damit florierten, sich über Marginalisierte zu amüsieren. Talkshowmoderationen mit provozierenden Fragen und mit nach dem nächsten Faux-Pas gierendem Blick. Oder Polit-Talkshows, in denen blankes sensationalistisches Entertainment als Diskussion, als Suche nach Konsens oder Lösungen verkauft wird. Das ist zutiefst zynisch, gerade weil es meist Themen sind, die tatsächlich einer fundierten öffentlichen Diskussion bedürften. Über Jahrzehnte hinweg basierte so viel TV-Entertainment darauf, ein Stereotyp von gescheiterten Menschen zu errichten, von Hartzern als Schmarotzer, Menschen an der Armutsgrenze, die angeblich einfach ihr Leben nicht im Griff haben, von Hochverschuldeten, die darin versagen, den Überblick über ihre Finanzen zu halten. Die sarkasmustriefende Häme von TV Shows und Sensations-Newsmedien, die vor allem auf Menschen gerichtet ist, die am Scheitern sind, ist der popkulturelle Ausdruck der endkapitalistischen Ära.

Owen Jones hat in Chavs ausführlich beschrieben, wie das zur “Dämonisierung der Arbeiterklasse” beitrug, quasi den Zusammenhang zwischen all der Schackeline-von-Mahrzahn-Comedy und dem Verlust jeglichen Klassenbewusstseins aufgezeigt. Es ist heute letztlich keine Identifizierung mehr damit möglich, niemand versteht sich heute als arm oder sozial benachteiligt. Im öffentlichen Diskurs sind die Leidtragenden an den über die Jahre für Arbeiterklasse und Prekariat sich verschlechternden Arbeitsverhältnisse selber schuld. Immer wieder die Big Daddy-Stimme: “Wer will, der kann auch arbeiten. Wer keine Arbeit findet oder an den Arbeitsbedingungen zerbricht, ist selber schuld.” Ist die Gesellschaft zu hart, bist du zu schwach. Hyperindividualisierung ist an die Stelle von einem Gefühl getreten, dass man gemeinsam mit anderen in einer Situation steckt. Und das wäre die Basis für die Idee, etwas ändern zu können. Das Veröden von Solidaritätsbewegungen durch das mal mehr, mal weniger sachte Hinwirken auf vereinzelnde Arbeits- und Arbeitslosigkeitsstrukturen hat Folgen gezeigt: Es geht nicht mehr darum, deine Arbeitsbedingungen zu verbessern, sondern dich zu verbessern. Egal, ob Proletariat oder Prekariat: Was du bist, ist nur noch etwas, was es zu überwinden gilt. Ist ja eigentlich hinlänglich bekannt. Und darüber zu sprechen, hieße, dein Scheitern einzugestehen. Und da ist ja auch immer diese Stimme, die dir kumpelhaft in die Rippen stößt, und dir versichert, dass du ganz anders bist, als die armseligen Loser um dich herum. “They don’t see themselves as poor, they see themselves as temporarily embarassed millionaires”, schrieb John Paul Brammer in einem Twitter-Thread darüber, wie die Stigmatisierung von Armut für viele Arme zur Identifikation mit einem Milliardär wie Trump führen konnte.

https://twitter.com/jpbrammer/status/799686559901454336

Auch im Journalismus findet sich der zynische Grundtenor, zum Beispiel in der Zunahme eines Meinungsjournalismus, von zahllosen Kolumnen, die mit zugespitzten, kaum noch als Welterklärungsversuche getarnten Provokationen Menschen aufeinander hetzen und dazu beitragen, gesellschaftliche Gräben zu vertiefen. Die schriftliche Variante der Polit-Talkshows. Aber mein Beispiel hier sollte TV sein, da es letztlich das Podium war, dass Trump als Ideologie am stärksten in die Köpfe gepflanzt hat (und ich spreche hier nicht von der Wahlkampfzeit, sondern von Jahrzehnten). Von Trumps eigenem Fox-Imperium, bis hin zu so traurigen Beispielen wie CNN, die im Nachhinein dann doch noch einsahen, dass es wohl keine so gute Idee war, mehrmals Wahlpropandaveranstaltungen von Trump komplett und unkommentiert auszustrahlen. Letztlich am prägendsten hat er sich aber mit The Apprentice in das öffentliche Bewusstsein eingeschrieben. Über Jahre hat Trump sich dort als Big Daddy, der weiß, was Sache ist, inszeniert.  Und er wurde von vielen gewählt, weil sie Politiker*innnen nicht mehr trauen, sondern stattdessen lieber einen erfolgreichen Geschäftsmann den Staat zum erfolgreichen Business führen lassen wollen. Wir haben dazu gottseidank keine parallele Figur hierzulande. Das anscheinend zunehmend nach rechts abdriftende Red Bull-Medium Servus TV kommt der unseligen Verquickung von Neu-Rechten und großem Konzern mit einem Sender vielleicht hier noch am Nähesten. h Als ich letzthin da mal bei einer TV-Show reinklickte, wurde gerade um Verständnis für die Position von Impfgegnern geheischt, dekoriert mit pseudo-wissenschaftlichem Einspieler. Aber das ist von der Personalunion Trump natürlich Welten entfernt.

Trumps Social Media Selbstinszenierung wird gerne als naiv missverstanden, aber ich hoffe sehr, dass wir stattdessen aus seinem Spiel mit dem Journalismus etwas für den Umgang mit AfD, Identitären, CSU usw. hierzulande lernen. Politik und Strategie analysieren und erklären statt Empörartikel über Provokationen rauszuhauen, das würde ich mir wünschen. Nicht den Inhalten der Rechten Platz einräumen, sondern nur den Mechanismen die dahinter stecken. Analyse statt Podium sein. Billigartikel, die nur die zynischen Provokationen abbilden und mit lustigen “so reagiert das Netz”-Einbettungen dekorieren, bringen zwar mehr Clicks, aber niemand mit einem Funken journalistischer Ethik sollte in dieser Weise als Verstärker von rechter Propaganda herhalten – egal wie knapp das Geld ist. Es muss klar sein: Für die Neu-Rechte ist diese Berichterstattung über ihre Provokationen dreifach zuträglich: Sie ist Propaganda für den Kreis, der ihnen eh schon folgt, sie ist zunehmende Normalisierung von rechtem Gedankengut in der breiten Gesellschaft, und sie ist eine Möglichkeit auszutesten, wie weit sie mit ihren Positionen zum jeweiligen Zeitpunkt gehen können, um noch wählbar zu bleiben.

Soweit mal ein paar Gedanken für heute, jetzt auf ins Kino, “I, Daniel Blake” gucken.

Blame alle außer die Rechten, Kapitel 9857744

Derzeit gibt es einen ekelhaften Backlash von “Identitätspolitik”-Feinden und Konservativen gegen Bewegungen für soziale Gerechtigkeit, die gern unter “Political Correctness” oder “Identitätspolitik” gefasst werden, geframed werden. Er erfolgt auf ganz verschiedenen Niveaus und in verschiedenen Nuancen: Das geht vom deutschen Blogrant oder der Sibylle Berg Kolumne im Spiegel bis zu New York Times, Vox.com, Daily Beast oder im Soziologie-Research-Blog der London School of Economics. Blaming Identitätspolitik und political correctness für das Aufblühen der Rechten, das eint dann sogar Junge Welt und Jungle World. Einen Jungle World Artikel hatte ich auf Facebook gepostet, um dort auch mal wieder etwas beizutragen, womit ich nicht einverstanden bin. Ganz und gar nicht. In den Kommentaren wurde ich um eine Erklärung gebeten, warum mir der Artikel aufstößt. Das wurde jetzt so lange, dass ich’s hier blogge, statt nur dort zu kommentieren.

Ein Auszug aus dem Jungle World Artikel ‘Der Archipel der Enthemmten: Über alternative Rechte, reaktionäre Linke und den »cultural war« in den USA’ von Felix Schilk und Tim Zeidler:

“Obwohl die Ideologie der Alt-Right maßgeblich auf »weiße Identität« fixiert ist, wäre es falsch, das Phänomen ausschließlich als eine neue Manifestationsform des weißen Suprematismus zu verstehen, wie es linke Kritiker in den USA und Deutschland überwiegend tun. (Jungle World 38/2016)

Durch ihre provokative Artikulationsform und die fundamentale Zurückweisung von universalistischen Werten vereint die Alt-Right eine Bandbreite an Positionen und stößt auch bei vielen Rechtslibertären auf Zuspruch. Einer dieser Fürsprecher ist der free speech fundamen­talist Milo Yiannopoulos, der auf Breitbart, einer der wichtigsten konservativen Nachrichtenseiten der USA, einen vielzitierten Leitfaden über die Alt-Right schrieb und ihr als Journalist in den Medien zu Aufmerksamkeit verhilft. Yiannopoulos zufolge ist die Alt-Right als eine subver­sive Gegenkultur zur diskursiven Hegemonie der US-amerikanischen Linken zu verstehen, die junge Rebellen anziehe, weil sie Fun, Grenzüberschreitungen und die Infragestellung sozialer Normen verspreche.”

Nur mal so als Gschmäckle. Der Artikel übernimmt in großen Zügen die Selbstdefinition der “Alt-Right”, und verkennt, dass es ein gezieltes Branding ist – nix anderes als was die Die Identitären versuchen. Die Alt-Right Selbstdefinition als Subkultur gegen die – vemeintliche! – Vorherrschaft von P.C. Culture oder “Identitätspolitik” oder “social justice warriors” einfach zu übernehmen, wie es in diesem Artikel in großen Teilen passiert und die anti-feministische rassistische Gamergate-Ikone Milo “social justice is cancer” Yiannopoulos als Meinungsfreiheitfundamentalisten zu verharmlosen, ist für eine linke Zeitung unter aller Kanone. Das als zwei Seiten einer Medaille zu verstehen, heißt den Kampf gegen oder von unten und den Kampf für Unterdrückung oder von oben gleichzusetzen. Die Ideologie dahinter, die Gleichberechtigungs- und die Kämpfe um öffentliche Wahrnehmung von Marginalisierten als reine Befindlichkeiten zu diskreditieren, sie als alles durchdringendes akademisches ränkeschmiedendes Eliten-Netzwerk darzustellen, statt als Arbeit gegen intersektionale Diskriminierung und Marginalisierung, dient diesen Neo-Nazis natürlich. Den Kampf um soziale Gerechtigkeit als Beschneidung der Rechte und Meinungsfreiheit derjenigen zu inszenieren, die um ihre dominanteren Rollen in der Gesellschaft fürchten, ist eine reaktionäre Taktik, um eine Spaltung der gesellschaftlich Benachteiligteren entlang der Linie gender/race/etc. und class/labor zu erreichen. Dass dabei inzwischen Theorien und Techniken von Rechten verwendet werden, die eigentlich Marginalisierten helfen sollten, ist perfide, aber das mitzuspielen, und “Social Justice Warriors” als Ursache oder Mitursache des Erstarkens der Rechten zu interpretieren, toppt das noch. 

Vieles an der Kritik an Gender Studies, Critical Whiteness, etc. – eben der sog. “Identitätspolitik” auf akamischen Level, hat schlicht mit einer Spezialisiertheit des akademischen Diskurses zu tun und mit einer allgemein gestiegenen Feindlichkeit gegenüber Geisteswissenschaften in einer Zeit der “factiness”. Gegen Quantenphysik wird nicht so gegeifert. Darauf zu beharren, dass Diskussionen um Marginalisierung vom Klassenkampf etc. ablenken, bloß weil man selber nicht oder weniger von selbiger betroffen ist, ist schon nachvollziehbar. Aber – und das jetzt noch konkret zur Universität als safe space – es muss doch umgekehrt auch nachvollziehbar sein, dass es dabei darum geht, einen Ort zu schaffen, an dem alle ausgeglichene Voraussetzungen für Diskussionen haben. Level ground, nicht cocooning. Irgendwie wird da immer so eine schräge Nullsummenrechnung aufgemacht: Wenn ich den einen mehr Sicherheit gebe, dann nehme ich den anderen was weg. Und eben auch gerne in den latent misogynen Begriffstopf rund um “sensibel”, “emotional”, “hysterisch” und ja – auch “narzisstisch” gepackt. (Die Konnotation bleibt, auch wenn der Begriff für eine etwas verkrampfte psychoanalytische Legitimisierungsvariante des “SJWs are to blame for Alt-Right”-Klischees eingesetzt wird, die außen vor lässt, dass der Kampf um soziale Gerechtigkeit aus einer gesellschaftlichen Benachteiligung heraus wuchs, während die Alt-Right schlicht für klassische White Supremacy in neuem Gewand steht.) Egal, zum Universitären hat das gestern auf Twitter Karen Gregory eh schön auf den Punkt gebracht:

“There is no labor history that is not the history of discrimination. And so there is no easy return to “studying labor” without critical race theory, intersectionality, queer studies, feminist marxism. Also, if you want to know what the “academy” gets things wrong take a look at the labor practices in the academy. You have tons of good research being written by people who don’t understand where their careers are to be made because we have fully undone any sense of security in academic life. How many dissertations might have been the books we need now? It is the fantastic destruction of the university as a public social institution that put us “out of touch.” Not women, POC, queer theory.”

Und gleich noch Charles Davis hinterher:

U.S. liberalism is a toxic ideology, at home and abroad, but jettisoning “identity politics”–the defense of vulnerable people on issues that are matters of life and death–is the absolute wrong lesson to take from a four percent swing among registered voters who actually decided to vote. Trump’s campaign was itself based on identity: whiteness. The response is not abandoning identity in politics, but developing a more radical version of it that advocates equality within a socialist critique of an economic system designed by and for predominantly white men with capital.”

So viel mal schnell aus dem Bauch von mir als Nicht-Akademikerin dazu runtergetippt.
Und wenn ich sie schon zitiere, sei bei dieser Gelegenheit doch auch gleich Karen Gregory’s Talk zu “Digital Labour and Exploitation” empfohlen, ein wirklich guter Überblick und Ausblick zu diesem Thema.

P.S.: Das einzige was uns insgesamt vorzuwerfen wäre, ist, dass wir allesamt nicht darauf vorbereitet waren, uns dagegen zu wehren, dass sich die Rechte die Post-Moderne und Strategien, die Minderheiten helfen sollten, in einem teuflischen Mischmasch angeeignet hat.  Was lustigerweise ausgerechnet ein Artikel auf MTV.com mit am besten auf den Punkt bringt. Aber der hier auch. Mal sehen, ob uns dieses hart erlangte Wissen nun hierzulande gegen AfD & Co. helfen wird.

PSPS: 

https://twitter.com/aaron_con_leche/status/799973111680495616

Eröffnungsrede zur Vernissage von “Holy Queers & Tricky Myths”

Ich hatte die Ehre, bei der Ausstellungseröffnung von “Holy Queers & Tricky Myths – Vom Schein der falschen Heiligen” von und mit Florian Aschka, Wilhelm Binder, Georg Klüver-Pfandtner, Larissa Kopp, Berivan Sayici und Miroslava Svolikova in der Galerie Bernsteinzimmer ein paar einführende Worte zu sprechen. Hier die Möglichkeit zum Nachlesen und eine große Empfehlung, die Ausstellung und die darin stattfindenen Performances und Workshops zu besuchen (genauere Infos am Schluss dieses Textes).

Eröffnungsrede zur Vernissage von
“Holy Queers & Tricky Myths”

holyqueerstrickymyths

Willkommen zur Ausstellungseröffnung von “Holy Queers & Tricky Myths”! Es ist mir eine Ehre, hier ein paar Worte zu Beginn sprechen zu dürfen, auch wenn sie etwas wackliger und konfuser sein werden als ich es mir gewünscht hätte – dank einigem an Vorbereitungsstress und zwei durchfeierten Nächten beim 40. Geburtstags des Musikvereins, dem Veranstalterkollektiv, bei dem ich mitmache. Aber ich freue mich sehr, dass das Bernsteinzimmer diese Ausstellung des Künstlerkollektivs Hotel Butterfly macht – und dass ich eingeladen wurde.

Im Vorfeld von unserem MV40 Festival habe ich der Lokalzeitung ein Interview gegeben, in dem der Journalist davon sprach, dass bei uns ja, wenn er sich unsere Veranstaltungsinfos so ansähe, “inflationär” das “Buzzword” “queer” fallen würde. Ich war etwas baff, denn da steckt ja quasi drin, dass ich das Wort in Veranstaltungsinfos als sowas wie ein Marketingtag verwenden würde, weil es gerade hip sei. Und “inflationär” hieße ja, es so viel und uneindeutig zu verwenden, dass es seine Bedeutung verlöre. Sichtbarmachen von Marginalisiertem wurde da quasi mit einem saisonbedingten Lifestyle, einem Fashiontrend assoziiert. Das Schaffen von queerem Space, in dem du in einem Raum eine Nacht lang , oder – wie hier dank dieser Ausstellung – einen Monat lang, queeren Künstler*innen Raum gibst, sich auszudrücken, auszuleben, eine temporäre Ausnahmezone aus dem heterosexuellen und zweigeschlechtlichen Normalzustand unserer Gesellschaft schaffst, die sich an diesem reiben kann; in der Kunst, wie hier in dieser Ausstellung sichtbar machen kann, dass das, was für die einen Normalzustand ist, für die anderen Normierungszustand ist: die mal mehr, mal weniger explizit geforderte Anpassung an die Norm, und es kann die Kraft sichtbar machen, die es kostet, abseits dieser Norm zu leben, leben zu müssen. Und das ist letztlich eine der Wurzeln des Begriffs “queer”.

Ursprünglich stand das Wort für “weird”, “seltsam”, “exzentrisch”, “nicht der Norm entsprechend”. Ende des 19. Jahrhunderts wurde “queer” zunächst als abwertender Begriff für Homosexualität oder besonders feminine Männer verwendet. Fast ein Jahrhundert später, 1990, als Homophobie im Schatten der AIDS-Epidemie gerade richtig hochkochte, wurde dieser abwertende Begriff von einer New Yorker Direct Action Gruppe aus dem Umfeld von ACT UP (kurz für  “AIDS Coalition To Unleash Power”) ganz offensiv aufgegriffen. Sie nannten sich “Queer Nation” und machten sich damit durchaus nicht nur Freunde, auch innerhalb der LGBT*-Szene.

Von ACT UP kennen vielleicht manche das ikonische Motiv eines rosa Dreiecks mit den Worten “Silence is Death” darunter: Schweigen ist, Schweigen bedeutet Tod. Das bezog sich zum einen natürlich klar auf AIDS, aber ist auch ein Satz, der für die Lebensrealität vieler Schwulen, Lesben, Transmenschen, Intersexuellen steht: Das Schweigen, das Nichtsichtbarmachen, das Nichternstnehmen, das Assimilieren von Queerness ist für viele todbringend. Selbsthass und Scham führen gerade unter Jugendlichen, auch hierzulande immer noch dazu, dass die Selbstmordrate homo- und transsexueller Jugendlichen ungleich höher als die von heterosexuellen ist. Das sind unsichtbare Tode, die letztlich von jedem homophoben Spruch, jedem zynischen Spruch über zu maskulin auftretende Frauen, jedem Scherz über zu feminin wirkende Männer, und ähnlichem Alltagshass mitverursacht werden.

Während die einen gegen Genderwahn preachen, und davon faseln, dass die Homolobby die ganze Gesellschaft verschwulen will, sieht die Lebensrealität für viele Queers immer noch völlig anders aus, vor allem abseits urbaner queerer Communities. Toleriert wirst du noch am meisten, wenn du betonst: “Wir sind doch gar nicht anders”, wenn du als heterosexuell durchgehst, wenn du assimiliert bist. “Selbsthass und Emanzipation – das Andere in der heterosexuellen Normalität”, so titelt denn auch heute noch ein gerade frisch erschienener Essaysammelband, in dem Patsy L’Amour laLove schreibt: “Eine solche, zwangsweise missglückende Normalisierung der eigenen Person, wie sie in der Behauptung, so normal wie alle anderen zu sein, versucht wird, muss letztlich als Unterwerfungsgeste verstanden werden: Das Gefühl normal zu sein, ist nur zu dem Preis zu haben, sich den gängigen Vorstellungen von Normalität anzupassen. Die Homosexualität, um deren Akzeptanz doch eigentlich geworben werden soll, soll möglichst weit in Richtigung ihrer Unkenntlichkeit verblassen. … Der Schein der Normalität wird dem Beharren auf Differenz vorgezogen. Das Problem beginnt da, wo in dieser Gesellschaft Differenz nicht ausgehalten wird.“

Aber ich war bei Queer Nation, also noch mal zurück in die 90er. Sie haben damals einige großartige, kraftvolle Manifeste verbreitet, auf die ich irgendwie immer wieder zurückkomme, und auf einem ihrer Flugblätter erklärten sie, warum für sie “queer” ein besserer Begriff ist als “gay”: “Nun, ‘gay’ ist ein gutes Wort. Es hat seinen Platz. Aber wenn viele Lesben und Schwule morgens aufwachen, fühlen sie sich wütend und angewidert, nicht gay, nicht fröhlich. Deswegen haben wir beschlossen, uns ‘queer’ zu nennen. Es erinnert uns daran, wie wir vom Rest der Welt wahrgenommen werden. ‘Queer’ ist ein Weg, uns selbst zu versichern, dass wir nicht gewitzte und charmante Personen sein müssen, die ihre Leben diskret und marginalisiert halten in der heterosexuellen Welt. Wir benutzen ‘queer’ als Schwule, die Lesben lieben und als Lesben, die es lieben queer zu sein. Und ‘queer’ bedeutet, anders als ‘gay’, auch nicht männlich.” Es ist also vom Geschlecht her ein offenerer Begriff. “Queer” also als ein Wort, mit dem sich die Lesbisch/Schwule/Trans*-Szene als alles beschreibt, was von zweigeschlechtlicher Norm – also der Idee, es gäbe nur 100%ige Frauen und 100%ige Männer – und der heterosexuellen Norm, und von den damit einhergehenden Privilegien abweicht. Queer ist ein Begriff, der alles fasst, was von der Norm abweicht, in Sachen:
– biologischem Geschlecht, also der körperlichen Ebene (nicht nur Penis und Vagina, sondern auch wie stark behaart bist du, wie groß sind deine Brüste, wie tief oder hoch ist deine Stimme, usw.)
– Gender-Identität, also ob du dich als männlicher oder weiblicher empfindest
– Gender-Ausdruck, also ob du dich in Gesten, Kleidung usw männlicher oder weiblicher gibst
– und inwieweit du in Sachen sexueller Orientierung von der heterosexuellen monogamen Norm abweichst.
Für all diese Normabweichungen steht “queer”, und wird als Begriff auch bewusst offen und vage gehalten, damit er immer wieder Diskussionen anregt, neu abgesteckt werden kann.

Diese radikale Offenheit behielt er auch, als er theoretisiert im Wissenschaftsdiskurs seinen Platz fand, wo er sich in der Queer Theory darum dreht, dass geschlechtliche und sexuelle Identität nichts Fixes, sondern dass sie gemacht sind. Teils biologisch angelegt, aber zu einem großen Teil gesellschaftlich und sozial geprägt, von uns performt, nichts Feststehendes. “Queer” hinterfrägt letztlich jede Art von fixer Identitätsbildung, wir entwerfen und inszenieren unser Selbst in jedem Moment aufs Neue. Mit jeder Geste, jeder Entscheidung, die wir treffen.

Queer sein, das heißt heute für die meisten immer noch, sich an einem Punkt seines Lebens als radikal anders zu fühlen, sich falsch zu fühlen, die zugeschriebene Identität als unpassend zu empfinden, wie latent entzündete Haut unter einer kratzigen und zu eng und zu kurz geschnittenen Hose, in die einen die Eltern gezwängt haben, und die du ihnen zuliebe erst mal trägst und den Fehler bei dir suchst, dich als unpassend empfindend.

Queer sein heißt für die meisten heute hoffentlich, sich dieser irgendwann bewusst zu entledigen und die fälschlich zugeschriebene Identität zu überschreiben, sie zu überleben, sie mit eigenen Entwürfen, die sich passender anfühlen zu ersetzen, sich weiterzuentwickeln, und soziale Communities zu finden, die dich willkommen heißen. Und es heißt Menschen zurückzulassen, die dich so nicht akzeptieren.

Queer sein bedeutet deswegen zu lernen, Veränderung zu umarmen, sich bewusst zu verorten, zu inszenieren, das Leben als ständig zu erneuernden Selbstentwurf zu begreifen, in Reibung an anderen Menschen und an den Umständen deines Lebens. Das ist für viele Queers eine Erfahrung, die sie ihr ganzes Leben lang gewissermaßen atmen, so sehr gehört sie dazu. Auch deswegen ist Kunst die Zone des Queeren – das Entwerfen, das Spielen, das Inszenieren.

Richard Goldstein schrieb in The Attack Queers über die Geschichte queerer Communities: “Wir waren ein Kunstwerk, bevor wir ein Volk waren, und wir setzen Kultur immer noch mit einer besonderen Bedeutung ein. Sie ist die Arena, in der wir unsere Verluste betrauern, wo wir die sozialen Aspekte unserer Sexualität erforschen, wo wir Rollen erfinden, wo wir Stil schaffen. Kein Wunder, dass die Debatte über die Sichtbarkeit, die Präsenz von Queerness im Mainstream so intensiv ist. Kultur ist für Queers das, was Religion für Juden ist: die Matrix unserer Nation.” (Quasi auch eine Anspielung auf die Queer Nation Gruppe.)

In einer Zeit, die schneller geworden ist, die um das Internet, um Social Media, als sozialen Ort und Ort der Selbstinszenierung und Echtzeit-Streams erweitert ist, die mehr an uns zerrt, die uns eine gesellschaftliche Pluralität viel intensiver wahrnehmen lässt als früher, macht nun langsam auch der heterosexuelle cis-Mainstream die Erfahrung, das nicht alle so sind wie er. Pluralität wird erfahrbarer, und es müssen sich nicht mehr nur die mit dem Gefühl anders zu sein auseinandersetzen, die in Sachen Geschlecht, sexueller Orientierung, oder durch Hautfarbe, Herkunft, körperlicher Versehrtheit, oder etwas anderes aus der Norm fallen. Nein, auch derjenige, auf dessen Perspektive der gesellschaftliche Konsens lange basierte, erfährt nun, dass seine Weltsicht, seine Erfahrungen, nur eine Schattierung unter vielen ist. All die Marginalisierten, die früher abseits im Schatten der abstrakten Idee einer gesellschaftlichen Mitte Stehenden – sie sind lauter und sichtbarer geworden. Medien werden nicht mehr nur von der Perspektive des weißen Mittelschichts-Bio-Deutschen bestimmt.

Die Sichtbarkeit all dieser Anderen, das laute Sprechen aus derer Perspektive, bringt derzeit die kleine heile Normwelt der Konservativen und Rechten ins Wanken, ja, für viele ist ihr Weltbild bis in die Grundfesten erschüttert, wie es sich in der geifernden Opferhaltung zeigt, mit der sich rechtskonservatives Gedankengut derzeit überall lautstark wieder bemerkbar zu machen versucht. Von der AfD und Reichsbürger*innen, von Trump bis zu Les Manif Tous, bis hin zur Kirche natürlich, egal ob islamische Homophobie oder ob ein Papst Franziskus – wie Anfang Oktober geschehen – die Gendertheorie als “weltweiten Krieg gegen die Zerstörung der Ehe” bezeichnet, und uns Queers damit quasi schon eine verdammt klare Kampfansage macht.

Ich denke mir aber gerne, bei aller Angst, die mitschwingen muss, wenn sich so viel Hass gegen die bloße Idee deiner Identität aufbäumt, dass es ein letztes Aufbäumen ist, angesichts einer Gesellschaft, die sich ihrer Diversität, ihrer Pluralität, immer bewusster wird. Und ich hoffe, muss hoffen, dass wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, in der Unterschiede akzeptiert werden, in der Differenz umarmt wird. Statt mit der Norm der Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit leben zu müssen, wird sich hoffentlich immer mehr die Norm der Unterschiedlichkeit, der Vielfalt durchsetzen, und jene, die versuchen, anderen ihre Norm als einzig wahren Lebensentwurf vorzuschreiben, werden zu den Randfiguren. In den USA gab es Anfang des Jahres eine Umfrage, laut der sich nur noch 48% der 13-20jährigen als komplett heterosexuell empfinden. Unter den 21-34jährigen waren es noch 65%. Und 56% aller 13-20jährigen haben jemanden im Bekanntenkreis, der oder die sich mit einem geschlechtsneutralen “they” oder “ze” ansprechen lässt. 70% fänden genderneutrale öffentliche Toiletten völlig angemessen. Es tut sich was. Es sind langsame aber wuchtige Veränderungen, tektonische Verschiebungen, die gesellschaftlichen Sprengstoff bergen. Kein Wunder, dass der Papst so harte Worte findet, wenn die Zwangsheterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit, in die wir derzeit noch geboren werden, und die Ehe als letzte große und kirchliche Bastion davon, in Frage gestellt werden.

An deren Stelle treten neue Entwürfe des Zusammenlebens, im Queeren das Bonding über Sexualität, Liebe, nicht über Ehe und Fortpflanzung, das Inszenierte, das Künstliche, Camp Culture statt der Fiktion des Natürlichen, Authentischen. Religion und Kirche, die sich trotz all ihrer verrückten Mythen, Rituale, Regeln und Kostüme als natürliche weil gottgebene Ordnung behaupten, bieten eine spannende Reibungsfläche für Queer Culture, für queere Kunst. Die christliche Ikone der Madonna, die schwule Pop-Ikone Madonna, die queer-femistische DJ-Ikone The Black Madonna… Wenn auf einem Bild ein Hoolahoop, der sonst nur knapp oberhalb der Gürtellinie sexy um die Hüften kreist, zum Heiligenschein mutiert, entsteht eine funkensprühende Reibung, von Profanem und Sakralem. Queere Inszenierung trifft auf religiöse Inszenierung, enthüllt den Schein, überscheint den Schein. Sexualisierung trifft auf Entsagung.

Queere Kultur spielt sich auch immer an der Grenze von Genderdissonanz ab, dem nicht Übereinstimmen mit einer Gendernorm, dem Fluidem, dem Nicht-Festlegbaren. Um noch mal Richard Goldstein aufzugreifen: Zentral für queere Kultur ist immer auch eine Kritik an der Norm männlicher Macht, das reicht weiter zurück als es überhaupt eine Queer Theorie gab. Laut Goldstein ist schon im Werk von einem schwulen Künstler wie Tennessee Williams ein tiefes Verständnis für die Beziehung zwischen Patriarchat und der Unterdrückung von weiblichem und homosexuellem Begehren spürbar. Dieses Verständnis von queerer Kultur stammt aus einer gemeinsamen Perspektive, aus Wahrnehmungen und Erfahrungen, die damit queer zu sein einhergingen. Ein Zusammenfinden über Begehren, über Lust, nicht über Entsagung. Walt Whitman sprach von “adhesive love”, klebriger Liebe, die ganz eigene Essenz, geprägt von Freiheit und Vielfalt, dem Aushalten von Differenz, die queer communities zusammenhält, zusammenhalten lässt, und die für Whitman durchaus eine Zukunftsvision für eine bessere Gesellschaft war. Differenz als verbindendes Element, das Erleben des Anderssein als gemeinsame gesellschaftliche Basis.

Dass heute konservative Schwule und Lesben im Fokus der Öffentlichkeit mit Anliegen wie der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehe am präsentesten sind, statt die Probleme der Schwächsten in den Reihen der Queer Community in der Vordergrund zu stellen, kann für mich nicht wirklich so eine Zukunftsvision sein. Wenn Transsexuelle desinteressiert auf der Strecke gelassen werden, selbst der Christopher Street Day in dieser Stadt hier auch 2016 nur mit einem “schwul-lesbisch” im Namen wirbt, obwohl doch gerade die Trans-Community die vorderste Front, den Initiationsfunken der Queer Riots von Stonewall bildete, sehe ich da keine Bewegung, keine Entwicklung, nur Anpassungsversuche. Rechte Schwule mit frauen-, tunten- und transfeindlichen und rassistischen Themen haben an Prominenz gewonnen, und bis heute geht das Coming-Out – bzw. gehen die Coming-Outs, da das ja keine einmalige Entscheidung ist – für die wenigsten homo- oder transsexuellen Menschen unproblematisch vonstatten.

Diese düstere Seite sei hier zum Schluss aber nur deswegen noch mal aufgebracht, weil ich es für wichtig halte, klar zu benennen, wie wichtig und brisant eine Ausstellung mit Queer Culture ist, wie sie ab heute hier für einen Monat präsentiert und performt wird. Danke Hotel Butterfly, danke Bernsteinzimmer!

 

৷ਕკ~ෆ⃛* ૂི•̮͡• ૂ ྀෆ⃛﹡೫٭ॢ*⋆♡⁎೨

Zitiertes mit Leseempfehlung:

The Attack Queers: Liberal Society and the Gay Right
Richard Goldstein

Selbsthass & Emanzipation – Das Andere in der heterosexuellen Normalität
Patsy l’Amour laLove (Hrsg.)

Queer Nation Manifesto

Holy Queers & Tricky Myths in der Galerie Bernsteinzimmer

Dauer der Ausstellung:
Sonntag, 23. Oktober bis Sonntag, 20. November 2016
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr
Mit folgenden Special Events:

Dienstag, 25.Oktober:
16:00 Workshop mit Wilhelm Binder
18:00 Lesung Miroslava Svolikova
19:00 Performance BerivanSayici

Mittwoch, 26.10.16:
11:00 Frühstück – Performance – Selfe-Hölle
»Hello Halo & Good Bye Heiligenschein, Porridge«
mit Opfertisch, Altar und live Heiligsprechung

Galerie Bernsteinzimmer, Großweidenmühlstraße 11, 90419 Nürnberg, www.galerie-bernsteinzimmer.de

Holy Queers auf Instagram