Medium Sweet – 1 Jahr Kantine

Ich habe mir derzeit zwei Wochen Urlaub genommen und es hat tatsächlich fünf Tage gedauert, bis ich soweit runtergekommen bin, dass ich das Schreiben wieder anfangen konnte. Vorher: eine Wespennest von Gedanken, ein einziges Getriebensein und Gefühle nur noch in Extremen, zwischen Abgrund und Euphorie. Jetzt sitze ich gerade über einem Text zu politischem Handeln in Zeiten der Weltuntergangsstimmung, entlang an The Good Fight S3 und von Triers Melancholia, und ein paar theoretischen Texten. Bin selber gespannt, was und ob was Rundes draus wird.

Wenigstens habe ich wirklich viel gelesen in letzter Zeit, das hat gut getan. Viele Romane. Sachbücher: die meisten nur angefangen, aber noch nicht fertig gelesen. Gut fand ich fast alles, was ich mir ausgesucht hatte, z.B. Lukas Rietzschel – Mit der Faust in die Luft schlagen, Cory Doctorow – Radicalized, Amitav Gosh – The Great Derangement, Jasper Nicolaisen – Erwachsen, Anna Burns – Milkman, Eckhart Nickel – Hysteria, Tim Maughan – Infinite Detail, Jessica Townsend – Nevermoor 1 und 2, Maggie Nelson – The Argonauts, Berit Glanz – Pixeltänzer. Über einige der Bücher will ich auch noch unbedingt Besprechungen schreiben.

Sonst noch halbwegs aktueller Output von mir: Ich habe für Analyse & Kritik (ak 651) eine Stranger Things 3 Besprechung geschrieben (hot take: Die Netflix AI ist das eigentliche Monster) und für Zement einen Remix gemacht (noch nicht veröffentlicht), für den ich Fruity Loops wiederbelebt habe – nach wie vor eine ganz wunderbare Software zum Beats machen. Partyplanung für Herbst steht auch halbwegs, auch noch mal ein Voguing Ball. Jetzt muss ich bloß aufpassen, dass ich nicht wieder tausend kleine zusätzliche Ideen bekomme, dann könnte es tatsächlich ein Herbst werden, in dem ich wieder den Kopf frei genug zum Schreiben habe.

Und ganz aktuell: Ich bin ja Teil des alternativen Veranstaltungskollektivs Musikverein. Wegen einer großangelegten Restaurierung mussten wir letztes Jahr aus unserer alten Location (Zentralcafé, K4) ausziehen. Dafür bekamen wir von der Stadt aber fantastisch zentral und nah am alten Ort gelegene Zwischennutzungsräumlichkeiten gestellt. Da wir letzthin feststellten, dass unser Umzug nun schon wieder fast ein Jahr her ist, haben wir noch kurzfristig beschlossen, das zu feiern. Für die Party habe ich Text, Namen und Plakat entworfen und freu mich schon drauf.

 

MEDIUM SWEET

Musikverein feiert 1 Jahr Kantine

Unser Umzug vom Zentralcafé in den Ausweichort Kantine war für den musikverein ein Jahr des Neuerfindens. Große Kompromisse, viel Improvisieren, viel weniger Platz, Neuorientierung hinten und vorn. Manche MV-Family-Mitglieder schieden dann leider auch aus, aber es kamen auch wieder neue dazu. Zu den ganzen Booking- und Veranstaltungstätigkeiten kam ganz schön viel Arbeit, die wir noch in den Club stecken mussten. Nicht immer ganz einfach, gerade für Ehrenamtliche. Aber langsam wird’s. Und hey, dieses erste Jahr in diesem Exil war auch schon voller positiver Momente, und bei vielen Dingen bekamen wir auch Hilfe. Es hat uns auch ganz schön zusammengeschweißt. Klar vermissen wir das Zentralcafé – es bleibt unvergleichbar und unvergessen. Aber es ist auch schön, eine neue Location mitzuformen, auch wenn es nur eine vorübergehende ist, und daran zu arbeiten, sie nicht nur einfach als Veranstaltungsort zu nutzen, sondern auch Arbeit reinzustecken, auch die Kantine als einen hedonistisch-kritischen, bescheuerten und widerborstigen, geliebten und gehassten, linken und inklusiven Ort prägen.

Musikalisch sind wir natürlich immer noch breit aufgestellt: In diesem ersten Jahr gab’s in der Kantine Livemusik von Punk, Synthiepop, Indie, Rap, Screamo bis zu Ambient, Doom, Wave, Drone, Krautpop, Beats, experimenteller elektronische Musik, u.v.m., dazu Club Nights in die verschiedensten Richtungen und auch einige Vorträge und Lesungen, und neue Formate, wie z.B. Feministisch Biertrinken, und einige Kooperationen, bei denen wir den Veranstaltungsideen Anderer Raum gaben. Wir sind jetzt schon gespannt, was das nächste Jahr bringt, zum Beispiel an neuen Mitgliedern (wie wär’s?!) und hey, das spannendste: Ob wir im zweiten Jahr vielleicht vom Heißluftballon unter den Digitalisierungshauptstädten endlich Internet in der Kantine kriegen. Stadt Nürnberg, you listening?! :slightly_smiling_face:

Insgesamt lässt sich sagen: Wir – und zu diesem “wir” gehören auch unsere Gäste – sind langsam in der Kantine angekommen. So, wie der Ort langsam physisch Patina gewinnt, haben wir ihn auch schon mit einigen Erinnerungen besetzt, die Funken sprühen und diese Party-Nacht wird hoffentlich dazu gehören!

Natürlich mit fast allen euren Lieblings-DJs vom Musikverein: Ramshackle, Philip Manthey, atomic_betty, Dj Fail, Comandante Manolo und eve massacre!

 

Reclaim The Night Lounge – ein Interview zum Abend

ReclaimTheNightLounge-1604-blog

Ich habe den Nürnberger Nachrichten ein Interview zur RECLAIM THE NIGHT LOUNGE, unserem Abend gegen Übergriffe im Nachtleben gegeben und freue mich sehr, dass sie über unsere Arbeit dazu berichten. Der Artikel bringt allerdings einen Punkt etwas verkürzt rüber, der mir wichtig ist: Es klingt, als wollten wir heute Abend nur Frauen Tipps geben wie sie sich besser schützen können. Das würde ich aber als Victim Blaming betrachten, und hatte ich eigentlich in meinen Antworten nicht so gesagt. Aber dafür hab ich ja einen Blog – hier das vollständige ausführliche Interview:

F: Wie ist man auf die Idee gekommen so eine Veranstaltung ins Leben zu rufen? Gab es einen Vorfall der sozusagen als Initiator gewirkt hat, oder war es ein spontaner Einfall von Seiten des MV? Ist dies der erste Abend oder gab es schon ähnliche Veranstaltungen dieser Art? Sind weitere geplant?

A: Dass Übergriffe, von verbaler Belästigung bis zu Angrapschen oder mehr, im Nachtleben ekelhaft gängig sind, aber viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, fanden wir schon länger, aber konkretisiert hat sich das auf unserer letzten Jahresklausur September 2016. Da die Basis wichtig ist, legt der Musikverein seit zwei Jahren mehr Wert auf Gender-Ausgewogenheit auf der Bühne und unter den Veranstaltenden. Wenn mehr Frauen unter den Veranstaltenden sind, bekommt automatisch auch ein Problem, das in erster Linie Frauen betrifft, mehr Aufmerksamkeit. Dann haben wir unseren Gästen immer wieder ans Herz gelegt, sich zu melden, wenn sich ihnen gegenüber danebenbenommen wird. Da bekamen wir auch Feedback und dadurch wurde das Thema noch dringlicher. Unter dem Sammelbegriff Reclaim The Night haben wir dann begonnen, konkreter zu werden: Seit letztem Herbst zeigen wir bei unseren Club Nights auf der Hauswand Visuals mit Slogans gegen Übergriffe, zum Beispiel „’Nein’ heißt nicht ‘überzeuge mich’!“ oder „Party hard but party with consent!“

Um einen Austausch zu diesem Thema mit anderen Veranstaltenden aufzumachen, haben wir im November zu einem Runden Tisch eingeladen, den gab’s inzwischen schon zum zweiten Mal, da hat sich Carmen ‘double u cc’ vom Musikverein stark darum gekümmert. Zur besseren Vernetzung zwischen Veranstaltenden haben wir eine Mailingliste und eine geschlossene Facebookgruppe angelegt. Die Reclaim The Night Lounge ist jetzt mein Baby. Da ist die Idee, in den Austausch mit Gästen bzw. Betroffenen zu gehen, da wir uns als Community verstehen, und weil ein offener Austausch immer ein guter Ansatz für Problemlösungen ist. Wir wollen auch das Tabu abbauen, dass manche Clubs sich nicht offen darüber reden trauen, weil sie Angst um ein schlechtes Image haben müssen – wenn alle offen darüber reden, wird schnell klar, dass das ein clubübergreifendes, ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Und je nach Feedback wird es den Abend öfter geben.

F: Gibt es großes Interesse an der Veranstaltung? Also haben Sie schon Feedback für Idee bekommen? Welche Zielgruppe haben Sie im Blick? Ist Die Veranstaltung nur für Frauen oder sind auch Männer willkommen? Was ist das angestrebte Ziel dieser Veranstaltung?

A: Das Interesse im Vorfeld zu messen ist immer schwierig, aber ja – es hat uns schon positives Feedback erreicht. Die Reclaim The Night Lounge ist für alle Betroffenen gedacht, das heißt sowohl Frauen und andere, die schon Übergriffe im Nachtleben erlebt haben, als auch Leute, denen das Thema wichtig ist und die sich engagieren oder informieren wollen. Natürlich sind auch Männer willkommen, sie sind zwar seltener Opfer von Übergriffen, aber auch das kommt vor. Uns ist wichtig, dass sich eben wirklich alle willkommen fühlen, denen es ein Anliegen ist, etwas gegen Übergriffe im Nachtleben zu tun. Das Ziel ist Information, Austausch, Aktion. Wir haben dazu jetzt auch noch eine Facebookgruppe angelegt:  damit die Diskussion auch online weitergeführt werden kann, und eine Kontakt-Mailadresse: reclaimthenight@musikverein-concerts.de (die Mails landen bei mir und Carmen double u cc und wir werden auf Wunsch natürlich auch Mails anonym behandeln.) Und demnächst geht auch die Website www.reclaimthenight-nbg.de online.

F: Wie gesagt ist das Thema der sexuellen Übergriffe ein brisantes Thema seit dem Vorfall in Köln. Deshalb auch die Frage, ob Köln Auswirkungen auf das Nürnberger Nachtleben hatte (negativ wie positiv)?

A: Die verabscheuungswürdigen Übergriffe der Silvesternacht fanden ja nicht nur in Köln statt, sondern es gab meines Wissens auch einen kleinen Ableger in Nürnberg. Wir vom Musikverein waren uns schnell einig, dass wir das für eine sehr systematisch angelegte, gezielte Aktion halten, und dass wir die Gefahr einer Instrumentalisierung für rassistische Vorurteile sehen und für ein Gegeneinander-Ausspielen der Opfer von Rassismus und Sexismus. Das hat sich dann leider auch bestätigt: Plötzlich haben sich Leute gegen Übergriffe stark gemacht, die vorher fanden, dass Frauen ja total übertreiben, wenn sie sich darüber beschweren.

Unabhängig von der Silvesternacht, die wie gesagt ein sehr krasser und anscheinend systematisch angelegter Übergriff war, begegnen wir und andere Veranstaltende, die explizit Flüchtlinge willkommen heißen, um ein Zeichen zu setzen, natürlich auch Übergriffen von Flüchtlingen. Aber: wir sehen viel mehr Geflüchtete friedlich mit uns feiern, deswegen ist es uns wichtig, dass da kein Graben zwischen Alt- und Neu-Nürnbergern aufgetan wird. Die letzten beiden Übergriffe gegen mich persönlich zum Beispiel kamen nicht von Geflüchteten. Aber sie kamen von Männern. Wenn also jemand unbedingt ein Kulturding draus machen, will, dann wäre es angebrachter, eine bestimmte Art von Männerkultur zu kritisieren, denn da gibt es über alle Kulturgrenzen hinweg einiges an Selbstverständlichkeit und Leichtfertigkeit in Sachen Belästigung abzubauen. Schafft erst mal Mario Barth und Club Nights, bei denen Frauen mit freiem Eintritt und Gratisdrinks willig gemacht werden sollen, ab, bevor ihr euch Geflüchtete als Zielscheibe aussucht.

F: Was glauben Sie persönlich was man ändern könnte, um solche Übergriffe zu verhindern? Welche Tipps können Sie Frauen mit auf dem Weg geben, wenn sie sich  zum Beispiel alleine auf dem Heimweg befinden oder eben, was leider viel zu oft vorkommt, auf der Tanzfläche begrapscht werden?

A: Langfristig, im Großen gedacht, hilft nur eine Verschiebung des sozialen Konsens, dazu gehört z.B. auch kein Victim-Blaming zu betreiben. Deswegen: Frauen (und anderen, die belästigt werden) möchte ich als Tipp mit auf den Weg geben, es nicht als selbstverständlich hinzunehmen, dass sie diejenigen sind, die ständig bereit zur Abwehrhaltung sein müssen. Stattdessen möchte ich Männern mit auf den Weg geben: Belästigt keine Frauen. Aber eigentlich mag ich den Geschlechtergraben da auch nicht, deswegen: Grapscht nicht in der Anonymität der Tanzfläche andere Menschen an, außer diese haben klar signalisiert, dass sie Lust auf Körperkontakt mit euch haben. Lasst Menschen in Ruhe, die signalisieren, dass sie sich keine Unterhaltung mit euch wünschen. Vergewaltigt keine anderen Menschen. Sagt Leuten an Bar oder Tür oder einfach anderen Gästen, die in der Nähe stehen gleich Bescheid, wenn jemand übergriffig wird. Tut das nicht länger als Bagatelle ab, macht es sichtbar. Wenn ihr etwas beobachtet, was übergriffig aussieht, fragt einfach mal nach, ob es für die Person okay ist, oder ob sie Unterstützung beim Abwimmeln braucht.

F: Sie engagieren sich ja auch neben dieser Veranstaltung gegen Sexismus. Welche Möglichkeiten hat der MV um die Sicherheit von Frauen in Discos, Bars und Co. zu verbessern?

A: Wir versuchen, Gästen zu vermitteln, dass wir eine Nulltoleranzpolitik bezüglich Übergriffen fahren, via Webpräsenz, Aushängen und Visuals. Alle die bei uns an Einlass und Bar im Einsatz, sind stets bereit zu helfen, und wir haben inzwischen bei jeder Party mindestens einen Security im Einsatz. Wir versuchen sogar, dass bei jeder Party auch jemand von uns auf der Tanzfläche ein bisschen die Augen aufhält. Da die Grenze zwischen Veranstaltenden und Publikum bei einem Kollektiv wie dem Musikverein oft fließend ist, liegt uns an einem Austausch mit unseren Gästen, deswegen die Reclaim The Night Lounge: eine öffentliche Plattform schaffen. um Erlebnisse zu schildern, Wünsche an Veranstaltende zu äußern, Ideen für kleine Aktionen in den Raum zu werfen.

Entschuldigung aber ich habe ganz vergessen zu fragen wie denn der gesamte Abend ablaufen soll (Programm und geplante Aktionen)?

Nach einem einleitenden Vortrag von mir wird es eine offene Gesprächsrunde geben, in die sich alle, die kommen einbringen können. Bettina Wagegg vom Musikverein wird das moderieren und mit ein paar Fragestellungen ins Rollen bringen. Danach gibt’s noch ein bisschen Bar-Musik, damit auch im kleineren Kreis noch Gespräche fortgeführt werden können. Und ein bisschen was zum Snacken gibt’s auch.

“Gender – so what?!” – Radiosendung

Heute 20 Uhr auf RADIO Z: “Gender, so what?!”

Thema: Gender & Medien

Tobi Lindemann hat’s geschafft, dass ich dafür meinen ersten Radiowortbeitrag seit ca. 10mio. Jahren gemacht hab. Es geht im weitesten Sinne um Horrorfilme und Twerken.
Außerdem gibt’s meines Wissens einen Interview(?)-Beitrag von Frank Apunkt Schneider zu gendergerechter Sprache in deutschen Zeitungen oder so. Und einen Beitrag zu weiblichen Figuren in Videospielen, wenn ich mich recht entsinne.

Alles in allem very entertaining und empfehlenswert, traue ich mir hier mal so zu behaupten. Tune in. 95.8mHz in Nürnberg oder Livestream: http://snd.radio-z.net:8000/Radio-Z