
Vor ein paar Tagen hat das deutsche GQ Magazin eine Kampagne namens ‘Mundpropaganda‘ gestartet. Es handelt sich dabei um eine Fotoserie von sich küssenden männlichen Hetero-Berühmtheiten. Viele meiner schwulen Freunde scheinen die Kampagne zu mögen. Manche weil sie es sexy finden. Manche weil sie sie als Verbündete empfinden. Wie so oft werde ich mal wieder die Spielverderberin sein.
Lasst mich einen Satz aus dem GQ Editorial herauspicken um zu erklären warum:
“Sich küssende Heteros – dieser Mut ist absolut männlich.”
Dieser Satz sollte es klar machen: Dies ist kein GQ-Willkommensgruß für Schwule sondern es geht bei der Aktion um gefakte gleichgeschlechtliche Küsse als heroischer Akt von heterosexuellen Männern. Vielleicht war die Intention eine andere, oder vielleicht zielt GQ darauf ab, Schwule als Zielgruppe einzukassieren ohne tatsächlicher schwuler Sexualiät Raum zu geben, oder sie wollten einfach bloß eine medienwirksame rührselige soziale Konflikt-Sache für die Weihnachtsausgabe haben. Mir ist die Intention herzlich egal, für mich zählt das Resultat.
Dass sie es zu einem Hauptstatement der Aktion gemacht haben dass es Männer Mut kostet einander zu küssen ist das ‘No Homo’ dieser Kampagne. Auf den ersten Blick mögen die Bilder erotisch erscheinen, aber die sie umgebenden Texte und der ‘Making Of’ Clip tragen die deutliche Botschaft: “Es ist echt hart für uns, das zu tun, aber wir haben unseren Ekel überwunden um Solidarität mit euch zu zeigen – sind wir nicht toll?” Es wird so explizit betont, dass die Küsse fake, also falsch, unecht sind, dass es diese Küsse selbst des bloßen Schattens von schwulem Verlangen beraubt. Die Interviews sind dazu da, dass die Küssenden sagen können, wie schwer es für sie war, in dieser Art solidarisch zu sein und dass sie viel lieber Frauen küssen. Der ‘Making Of’ Clip zeigt wie manche von ihnen vor Lachen halb zusammenbrechen als sie versuchen sich zu küssen, usw. Partiell ist das ganze gefährlich nah dran schwule Sexualität als abstoßend und unnatürlich zu redämonisieren, egal ob sie eigentlich das Gegenteil bewirken wollten. Umgeben von all diesem Gerede über die Gefaktheit werden die eigentlichen Bilder zu einem zutiefst desexualisiertem Bro-Ding. Dadurch trägt der Kuss letztlich mehr dazu bei, die Heterosexualität der Küssenden zu reaffirmieren als tatsächlich der homoerotische Protest zu sein, den sie erzeugen wollten. (Für mehr zu diesem Phänomen empfehle ich “Bro-Porn: Heterosexualizing Straight Men’s Anti-Homophobia”, von Tristan Bridges und C.J. Pascoe).
Ich weiß nicht, ob GQ die Idee von der tatsächlich existierenden kreativen Protestform der queer Kiss-Ins hat. Da sind oft ‘straight allies’ (‘heterosexuelle Verbündete’ klingt nicht so schön, also belass ich’s lieber beim englischen Begriff; ebenso wie beim Titel dieses Beitrags sehe ich da keinen Sinn in einer Übersetzung) dabei. Es ist nicht so, dass es für gleichgeschlechtliche Heterosexuelle, grundsätzlich immer eine schlechte Idee ist, als Protest gegen Homophobie miteinander rumzuknutschen, aber wenn sie dabei sofort auch markieren, dass sie nicht wirklich homosexuell sind, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass hier gleichgeschlechtliches Verlangen nicht respektiert oder gar sich darüber lustig gemacht wird. Außerdem könnte es kontraproduktiv sein, es zu nur zu tun um von queeren Leuten Applaus zu bekommen.

Ich versuche mal, nicht nur zu rumzukritisieren, sondern auch ein wenig Queer Ally For The Straight GQ zu spielen: Wie hätte diese Kampagne aussehen müssen, damit sie mir taugt? Im besten Fall hätte sie sich um queer-inklusives sexy Küssen gedreht, und mit ‘queer’ meine ich: alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen. So dass Leute die Bilder ansehen und keinen Unterschied festmachen können, sondern als Eindruck nur das Küssen als süßer sinnlicher erotischer Akt zwischen allen möglichen Menschen bleibt. Wenn ihr es auf ‘Fake-Küssen’ einschränken müsst, warum dann nicht auch eine lesbische Frau die einen schwulen Mann küsst neben diesen Heterotypen abbilden? Wenn ihr keine Frauen mit reinnehmen wollt, weil es ein ‘Gentlemen’s’ Magazin ist, warum nicht wenigstens schwule oder Trans*-Männer unter die Heteromänner mischen? Das absolute Minimum aber wäre gewesen: Wenn ihr nur Heteromänner dafür zeigt, dann markiert sie NICHT auch noch als solche.
Um es in Celebrities auszudrücken: Es ist ein wenig wie der Unterschied zwischen George Clooney und Jake Gyllenhaal. Beide wurden oft gefragt, ob sie schwul seien, beide sprechen nicht gern über ihr Privatleben. Gyllenhaal macht es aber sehr klar, dass er nicht schwul ist und fügt noch eine ‘Titten und Ärsche’ Bemerkung hinterher, in einem nicht ganz so schönen ‘echte Männer sind sexistisch’ Beweis. Clooney dagegen sagt, er würde niemals behaupten nicht schwul zu sein, weil er damit Schwulsein als etwas kennzeichnen würde, von dem er das Bedürfnis hätte sich zu distanzieren, etwas Negatives, und das fände er nicht respektvoll der Gay Community gegenüber. In diesem (zugegebenermaßen ziemlich-hinkenden aber Clooney-in-einen-Blogpost-einzubauen-schadet-nie) Vergleich steht die ‘Mundpropaganda’ Kampagne ganz offensichtlich viel weiter auf der Gyllenhaal-Seite der Dinge.

Anderer Kerl, ähnliche Sache: Macklemore. Ich habe erst so richtig realisiert wie wenig ich den großen Macklemore Hit ‘Same Love’ ausstehen kann, als ich hörte, wie Angel Haze den Song für sich eroberte:
https://soundcloud.com/angelhazeym/same-love-angel-haze
Ihre Version (hier die Lyrics) ist um so vieles ermächtigender. Manche Versuche ein Straight Ally zu sein lassen keinen Raum in dem tatsächlich homosexuelle Menschen gehört werden könnten. Sie können Queers auf die Position verdammen, die sich engagierenden Heteros aus der Ferne zu begehren und/oder ihnen zu applaudieren für… – nun ja, im GQ Fall, wenn du drüber nachdenkst: letztlich dafür öffentlich hetero-männliche Abscheu vor männlich-gleichgeschlechtlichem Küssen auf’s neue festzuzementieren. Wenn ein oft übelst homophobes Blatt wie die BILD auf meiner Seite ist, oder der Playboy sich mit dem Posten eines misogyn-lesbophoben Bildes zweier sich offensichtlich für den männlichen Blick küssenden Frauen kontert, und beides freudig auf der GQ Website als Zeichen dafür geteilt wird, wie gut die Kampagne läuft, dann zeigt (gentle)man ja ziemlich deutlich, wie unwichtig ihm die Positionierung gegen Diskriminierung wirklich ist.
In “Why We Should Care How Straight Allies Benefit From Their Support” fragen Tristan Bridges und C.J. Pascoe:
Wieviel Anerkennung verdient Macklemore für sein Coming Out als Straight Ally? (Und er lässt uns wissen, dass er hetero ist, erwähnt es zu Anfang des Songs, dass er schon immer Mädchen geliebt hat.)” [Übersetzung von mir]
Sie vergleichen die Situation mit dem ‘Wirtschaftssystem der Dankbarkeit’ (‘economy of gratitude’), das es oft bei Heteropärchen gibt:
In ihrer Untersuchung fand (Ariel) Hochschild heraus, dass Ehemännern oft mehr Dankbarkeit für das Mitmachen bei Hausarbeit entgegengebracht wurde als Frauen. Das heißt, bei Männern wurde sich subtil – aber systematisch – für ihre Hausarbeit ‘über-bedankt’ und das in einer Weise, die ihren Ehefrauen nicht zuteil wurde. Dieser einfache Fakt, argumentierte Hochschild, war viel folgenschwerer als es zunächst erscheinen mochte. Es war ein indirekter Weg Männer symbolisch darüber zu informieren dass sie sich an einer Arbeit beteiligten, die von ihnen nicht verlangt wurde. Tatsächlich haben wir eine ganze Sprache für die Teilnahme von Männern an Hausarbeit, die Hochschilds Ergebnisse bestätigt. Wenn Männer etwas übernehmen, sagen wir, dass sie ‘aushelfen’, ‘einspringen’ oder ‘babysitten’. Diese Begriffe erkennen ihre Arbeit an, aber rahmen gleichzeitig ihre Teilnahme als ein ‘Extra’ ein – eher als eine fürsorgliche Geste als eine Verpflichtung.
Wir würden sagen, dass etwas ähnliches mit männlichen Straight Allies passiert. Wir alle sind daran beteiligt, die Arbeit an der Gleichheit so zu definieren als wäre sie nicht ihre Sache, indem wir ihnen zuviel Dankbarkeit erweisen, genauso wie Hausarbeit als ‘keine Männerarbeit’ definiert wird. Indem wir diese ‘mutigen’ Männer in Machtpositionen (racial, sexual, gendered, und machmal auch classed) für ihre Anerkennung loben, sagen wir zu ihnen und zu anderen: Das ist nicht euer Job, also danke, dass ihr in Sachen Gleichheit ‘aushelft’.
[Übersetzung von mir]
Tristan Bridges und C.J. Pascoe schließen daraus warnend:
Lasst uns nicht Anti-Homophobie zum Äquivalent von ‘Babysitting’ für Väter und Aktivismus zur de facto ‘zweiten Schicht’ für marginalisierte Leute machen. Die Bewegung für Gleichheit sollte in der Verantwortung aller liegen und ein Auftrag für alle sein.
Ein weiterer Punkt, der mir bei dieser Kampagne in den Kopf kam, ist dass GQ indem sie so eine Kampagne auf die Schwulen-Community mitausrichten zu einer bereits existierenden Kluft zwischen Schwulen und Lesben beitragen. In der Welt von GQ, einem Männermagazin, das für eine stylishe Sorte Frauenfeindlichkeit steht, die mich ein wenig an old school James Bond erinnert, existieren Heterofrauen fast ausschließlich als das fickbare Andere und lesbische Frauen existieren eigentlich gar nicht.
Ich folgte einem Twitterlink zu einer anderen GQ Story, die inzwischen gelöscht wurde: Eine Geschichte, in der ein Mann uns erzählt, dass er die Sorte Kerl ist, der jede Frau kriegen kann und sich deshalb als neue Herausforderung vornimmt, eine Lesbe zum Hetero zu bekehren. Das gelingt ihm dann wohl auch vier Seiten später. (Ich hab nur den Anfang überflogen und das war ganz und gar so wie du es dir vorstellst: Frauenfeindlich, Stereotypen davon wie Lesben aussehen, und der Anspruch dass Lesben nur Heterofrauen seien, die noch nicht von Mr. Right gefickt worden sind.) Als die ersten Zeichen eines Social Media Shitstorms aufkamen, nahm GQ diese Geschichte vom Netz, und zwar mit dem Argument sie sei schon älter und würde nicht mehr ihre Einstellung repräsentieren. Inzwischen haben sie sogar ein Interview mit der lesbischen Aktivistin Yelena Goltsman online. PR Disaster vermieden? Scheint so.
Natürlich ist die GQ Kampagne nicht in erster Linie eine Werbekampagne für das Magazin, aber die Übergänge sind dieser Tage fließend und ich sehe Parallelen zu einem gewissen Typ von Werbung, die Sozialkritik benutzt. Nimm zum Beispiel die #whipit Pantene Werbung, die sich um geschlechterspezifische Doppelmoral dreht:
http://www.youtube.com/watch?v=kOjNcZvwjxI
Die Botschaft ist: “Don’t let labels hold you back. Be strong and shine.” Nun, so lange das nicht auf die Art von ‘shining’ anspielt, die mit Frauen zu tun hat, die Jack-Nicholson-mäßig mit einer Axt hinter den Labels her sind, die sie zurückhalten, kann ich nicht wirklich sehen, wie ‘Glänzen’ gegen geschlechterspezifische Doppelmoral helfen soll. Einer der Kommentare auf youtube oder facebook dazu war: “Verkaufe dein Produkt indem du deinen angestrebten Markt davon überzeugst, dass du mehr darin investierst zu gefühlsmäßig aufgeladenen, global relevanten (…) Problemen etwas beizutragen, als darin für dein Produkt Werbung zu machen.”
Oder nehmt die ‘Beauty Sketches’ Dove Werbung, ein echter Tränendrüsendrücker:
Beachte dabei, dass Dove genauso wie Axe Teil von Unilever ist, was ein recht nettes Konzept ergibt: Zerstöre die Egos von Frauen mit Axe-Werbung und bau sie dann mit Dove-Werbung wieder auf. Ein Erfolgsrezept seit vielen Jahren. Ich glaube, es ist recht einfach zu sehen, wie der Aspekt der Sozialkritik durch solche Kontexte der Bedeutung entleert oder sogar lächerlich gemacht wird.
Genauso ist bei ‘Mundpropaganda’. Stell es dir als auf Viralität hin produzierte Kampagne vor ein Männer-Lifestyle-Magazin zu verkaufen. An Männer, die Gay Rights unterstützen und an Schwule, aber möglichst ohne die konservativen Heteromänner unter der Leserschaft zu vergraulen.
Wenn sie über Homophobie schreiben, schaffen sie es irgendwie Frauen dabei völlig rauszuschreiben, einfach indem über sie nicht geredet wird. Sie sprechen über Homophobie als beträfe diese nicht auch Frauen und TI*-Leute. Lasst uns auch nicht vergessen, dass es die Sorte Magazin ist, die auf einen gewissen Typ von Mann zielt: Maskulin, selbstsicher, erfolgreich, stylish. Nicht-so-maskulin aussehende, sich benehmende, denkende Männer oder Trans*-Männer sind nicht Teil der GQ Welt. Diese ist so unqueer wie’s nur geht: Eindimensionale heterosexuelle Maskulinität.
Das findet Anklang bei bzw wird sogar als Idealbild von manchen schwulen Männern angestrebt, nicht zuletzt weil das negative Stigmatisieren von ‘schwul’ mit Weiblichkeit verbunden ist. ‘Schwul’ als Schimpfwort kann meist einfach ‘wie ein Mädchen’ ausgetauscht werden. Das Stereotyp des ‘weibischen’ Schwulen ist etwas, womit viele schwule Männer fürchten verglichen zu werden, und vielleicht sind die Fitnessstudio-besessene Muskelschwulenszene ebenso wie die heteronorm-angepassten konservativen Schwulen auch eine Reaktion auf diese Art von Homophobie.
Queere Menschen gibt es aber nun mal in allen Formen und Größen und Farben und aus allen Klassen. Das war eine Stärke der Queer Community und sollte es auch bleiben. Kampagnen wie ‘Mundpropaganda’ können die Kluft zwischen erfolgreichen weißen Männern und dem Rest der LGBTBI* Community vertiefen. Wie Mykki Blanco sagte: “Homophobie kommt von Misogynie, dem Hass auf Frauen. Wenn du die Verbindung zwischen Homophobie und Frauenhass nicht siehst, bist du blind.”
Also, meine lieben egal-wie-auch-immer-sich-als-männlich-definierenden Brüder, wenn GQ sagt, “dieser Mut ist absolut männlich” bitteschön hört auf brav die Fotos dieser Heterotypen anzusabbern, sondern sagt stattdessen: “Suck my left one! Jede queer-feministische Lady da draußen hat mehr Mut gezeigt und mehr zu meinen Gay Rights beigetragen als eure sich-selbst-auf-die-Schultern-klopfende hetero-exklusive Kampagne!”