Meine neue Radiosendung: FUTURE CONTENT #01

Ich habe beim besten Community Radio des Universums, Radio Z, eine neue Radiosendung namens FUTURE CONTENT gestartet, das Konzept könnt ihr hier lesen und sie läuft immer am ersten Sonntag des Monats von 22-0 Uhr (die nächste ist am 5. März). Danach wird sie, wenn alles klappt, eine Woche lang in der Mediathek von Radio Z zu hören sein. Und ich lade sie dann immer noch auf Mixcloud hoch, da könnt ihr sie dann noch viel länger streamen. (Podcast im klassischen Sinn geht leider nicht, blame your Gesetzgeber, aber es ist ja nicht so, dass ihr nicht fähig wärt, “downloaden von mixcloud” zu googlen. ^^ )

Die Premiere war am 5. Februar und ich war ganz schön aufgeregt, weil ich seit gefühlten 100 Jahren kein Live-Radio mehr gemacht hatte und nicht sicher war, ob ich das mit der Studiotechnik alles so hinbekomme, aber es lief dann ganz gut. Hier der Mixcloud-Link und die Playlist:

[mixcloud https://www.mixcloud.com/evemassacre/future-content-01-radio-show-on-radio-z/ width=100% height=60 hide_cover=1 mini=1 light=1]

NO TV NO RADIO – Peace
Begrüßung
Gr◯un土 – Fr∞shine
Sendungskonzept
AUSTRA – Utopia
Host-Vorstellung
CHIMURENGA RENAISSANCE – Girlz with gunz
Chimurenga Renaissance
CHIMURENGA RENAISSANCE – She is the fairest of them all
JOHN CONGLETON & THE NIGHTY NITES – Just lay still
John Congleton und Torchwoods Owen Harper
JOHN CONGLETON & THE NIGHTY NITES – Canaries in the coalmine
Benjamin Bratton über künstliche Haut und Sinnerfahrungen, und über Städte und AI
ZORA JONES – Zui
Benjamin Bratton über Städte und AI und John Congleton
OLGA BELL – Your life is a lie
ABRA – Thinking of u
Mark Fisher und It Follows
DISASTERPEACE – Heels
It Follows und Mark Fisher
BURIAL – Street Halo
Fanfic
LOS CRIPIS – All my friends are dead
Slash – Film über Fanfic
DAVID BOWIE – The London Boys
ELVIS DEPRESSEDLY – PepsiCoke Suicide
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 1
FAT WHITE FAMILY – Whitest boy on the beach
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 2
BOY HARSHER – Pain
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 3

TANKINI – We sat on the porch
Neu-rechte Strategien im öffentlichen Diskurs 4
YOUNG FATHERS – Only god knows
Abschied
JENNY HVAL – Period piece

Das Overton-Fenster als Waffe

Rund um das Entstehen von Schmalbart und Correctivs Reporter-Fabrik (hier das Konzept-PDF) hat sich eine Diskussion entsponnen, ob Fakten, Diskussionsstrategien auf Social Media oder Medienbildung gegen die Propagandamethoden der Neu-Rechten helfen. Es soll versucht werden, den öffentlichen Diskurs zurückzuerobern. Von den Correctiv-Plänen gibt’s noch nicht so viel Infos, von Schmalbart auch wenig Konkretes, aber zum Beispiel: “Es gibt Projekte zu Psychotargeting, Quellenüberprüfung, Datenvisualisierung und Medienkompetenz in der Schule.” Insgesamt hört sich das, was ich bis jetzt über Schmalbart gehört habe so an als ob eine Journalisten- und Marketing-Bubble sich aufmacht, die Diskussionkultur in den sozialen Medien zu retten, möglichst losgelöst von einer politischen Gesinnung um eine möglichst breite Masse einzubeziehen, quasi der Women’s March des Internetaktivismus oder so. Da ließen sich auch ähnliche Kritikpunkte wie am Women’s March aufmachen, z.B.: Wie divers ist das ganze aufgestellt und in den Zielsetzungen? usw. Oder mit kam auch die Frage: Warum wird das an Breitbart aufgehängt und nicht an Compact oder RT, die hier ja schon lange sehr präsent sind. Bei mir hat es angeregt, mal ein paar Gedanken zu der ganzen rechten Desinformationspropaganda zu sammeln, die mir seit Wochen im Kopf herumschwirren.

Ab jetzt wird zurückgepostet! ^^

Eine Idee von Schmalbart ist eine Datenbank mit snackable Fakten-Content: Fakten zu typischen rechten Themen wie Flüchtlingsverbrechensrate sollen zu Bildchen oder ähnlichem aufbereitet werden, die Menschen dann bequem auf Social Media verbreiten können. Anti-komplex gegen Rechts, Hauptsache Präsenz zeigen, dagegen halten. Kann sowas Erfolg haben? Hat jemand schon mal analysiert hat, warum das bislang nicht funktioniert hat? Denn auf diese Methode sind ja andere auch schon in diversen Formen gekommen, als PEGIDA aufkam. Ein paar alte Links habe ich noch: hier, hier, hier, hier, hier oder hier. Diese Websites und Social Media-Bildchen mit Fakten oder Slogans hatte ich mir damals immer in einem Extra-Fakten-Folder in meinen Bookmarks abgespeichert. Dahin, wo auch schon die Fakten zu Feminismus und LGBT*-Themen waren. Eine zeitlang habe ich immer, wenn ich über eine Diskussion stolperte, z.B. in den Kommentaren unter bestimmten Artikel-Postings von Zeitungen auf Facebook, wenigstens ein paar Fakten zwischen die rassistischen Hetzkommentare gesetzt, wenn mir die Energie zum Diskutieren nicht reichte. Mir und anderen ging es darum, den Neu-Rechten den öffentlichen Diskurs nicht alleine zu überlassen, aber mich auch nicht auf sinnlose Diskussionen mit Rechten einzulassen, letztlich einfach online genauso wenig wegzugucken, wie ich es offline tun möchte, wenn jemand rassistisch, sexistisch oder homophob rumplärrt. Etwas, was ich mir im queer/feministischen Diskurs online ziemlich abgewöhnt habe, denn da war mir die bewusste Eskalierung durch die Gegenseite schon viel länger bekannt.
Ich wurde dessen dann aber auch im rechten Diskurs bald müde, weil mir klar wurde, dass von der Neu-Rechten gegen Flüchtlinge genauso großangelegte Kampagnen mit Fake-Accounts und gezielte rhetorische Strategien zur Desinformation und Erschöpfung der “Gegner*innen” eingesetzt wurden. Wenn du dagegen anzugehen versuchst, fühlst du dich irgendwann nur noch wie die Müllabfuhr von Facebook, ganz zu schweigen von den Hass-Aktionen, die du abbekommen kannst. Und solange die Plattformen nicht selbst aktiver helfen, erscheint mir das als ein recht aussichtsloser Kampf, ein Wettrüsten das letztlich nur Facebook gewinnt, da immer mehr Leute immer posten und klicken.
Vielleicht war es damals aber auch noch nicht schlimm genug oder es wurden nicht genug Leute dafür mobilisiert, deswegen: Wer das für eine sinnvolle Methode hält: Aktuell gibt es zum Beispiel unter den Hashtags #ichbinhier oder #wirsindda auf Facebook derzeit Menschen, die versuchen sich “wider den Hass” zu organisieren. Könnte ein Ableger von Schmalbart sein. Ich hoffe aber schon, dass die Facebookgruppe “Freundlich sein zur AfD” nicht zu Schmalbart gehört: “Die Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, möglichst regelmäßig Facebookseiten der AfD und anderer Rechtspopulisten aufzusuchen, um dort den sachlichen Diskurs zu suchen. Das heißt, sich beleidigen zu lassen, ohne zurück zu geifern, Argumente gelten zu lassen, wo sie faktisch korrekt sind, aber eben auch an rostigen Stellen in der Argumentationskette des Gegenübers zu rütteln.” I can’t even. Früher hätte ich darauf einfach Wiglaf Drostes “Mit Nazis reden” zitiert, aber heute scheint mir das zu wenig.

“Eine Art von Referenzkatastrophe”

Ob AfD, ob Trump, ob Richard Spencer oder Milo Yiannopoulus, oder ihre ganzen namenlosen Anhängerlein: Vielen der Neu-Rechten geht es bei ihren öffentlichen Äußerungen darum, das Gegenüber, das auf Logik und Fakten gepolt ist, mit Vagheit, mit Provokation, mit der Verweigerung sich festlegen zu lassen und anderen semiotischen und rhetorischen Methoden strategisch zu zermürben. Gleichzeitig soll dabei den Anhänger*innen ein Gefühl des Zusammenhalts, der Macht und der Möglichkeit zu Veränderung vermittelt werden, das über die Abgrenzung von anderen funktioniert. Sie produzieren zutiefst faschistische Reden, Provokationen und Memes, ohne die Grenze zur Strafbarkeit zu überschreiten, aber ihre Gegner*innen in einer Empörungswelle nach der anderen zu emotionalisieren oder sie in einer endlosen Diskussionsschleife um Interpretationsvarianten zu verheddern. Schlimmstenfalls: sie auch noch gegeneinander aufzubringen.
Ein Beispiel für die Zermürbung zeigt ein Blogposting von Moritz Hoffmann sehr schön, der nur einen einzelnen Absatz aus Höckes Rede korrigiert hat, und dabei schon immer mehr verstrickt wurde. Die Analyse macht, fürchte ich, bei solchen Taktiken auf der inhaltlichen Ebene leider wenig Sinn; weder um argumentativ dagegenzuhalten, noch um Gesinnungen zu ändern, denn die rechte Desinformation im Detail zu zerlegen ist für die meisten einfach TL;DR (ich lese schon halbwegs viel, aber ich komme nicht mal halbwegs nach, die ganzen Faktencheck- und Erklär-Artikel zu lesen, die es inzwischen am laufenden Band gibt) und sie glauben nicht an Fakten, und Höckes Rede funktioniert eben auch nicht über den konkreten Inhalt, sondern über das Gefühl von einer veränderungsverheißenden faschistischen kollektiven Wut, das zwischen den Zeilen spürbar wird, ohne dass es explizit ausgesprochen wird. Gefühlte Wahrheit ist hier ein hilfreicher Begriff.  Yves Error beschreibt das in Analyse & Kritik sehr schön als “Referenzkatastrophe”:
Bei Menschen mit einem herkömmlichen politischen Vokabular, sei es bürgerlich oder kritisch, erzeugen diese Sprachmuster eine Art Referenzkatastrophe. Ständig werden Argumente gebracht, auf die einzugehen sich nicht aus Gründen der Meinung oder Moral verbietet, sondern aus dem Grund ihrer logischen und begrifflichen Inkohärenz. … Dieser rechte Anti-Diskurs ist es, der auch als postfaktische Politik bezeichnet wird. Vorurteile und Abwehrhaltungen werden hier nicht begründet, sondern einfach behauptet. Die Rechte erzeugt so eine »Sprachbarriere« hinter der sich ihr Gesellschaftsbild munter entwickeln kann und abstrakte Ängste als kollektiv performte Wut Gestalt annehmen, z.B. in den 921 von der Polizei gezählten Angriffen auf Geflüchtete und Asylunterkünfte im vergangenen Jahr in Deutschland. Erfolge einer Politik, die zwar verbal, aber nicht mehr argumentativ funktioniert – mittels der Faszination von Worten, die wirken ohne zu bedeuten und Sprechakten, die nur als Gewaltakte im aggressiven Gestus des Ressentiments ihren Sinn finden.
According to the American philosopher Harry G Frankfurt  the key difference between the liar and the bullshit artist is that the liar has at least some regard for the truth. The liar has a clear idea of what the reality of a situation is, and wants their audience to believe the opposite. The bullshit artist doesn’t care about truth at all — they have renounced citizenship of what the Bush administration infamously called ‘the reality-based community.’ The liar wishes to conceal the truth. The bullshit artist, by contrast, wants to destroy the entire concept of truth, not to deceive but to confuse, confound and control. This is what people mean when they refer to our political moment as a ‘post truth’ age.

Mit Zahlen gegen gefühlte Wahrheiten

Wo die Zersetzung eines Wahrheitsbegriffs, der auf gesellschaftlichem Konsens basiert, das Ziel der desinformierenden Redeformen ist, werden snackable Fakten als aufklärerisches Konter eher wenig bewirken und auch nicht Correctivs Fakten-Arbeit für Facebook. Der Begriff “post-faktisch” zwar auch im deutsch-sprachigen Raum aufgegriffen, aber von Medien so schnell wahllos als Hypewort verwendet, dass der eigentliche Sinn verloren ging. Ich fand ihn eigentlich schon hilfreich, aber er gehört in einen Kontext von Strategie. “Post-faktisch” einfach nur als “denen sind Fakten egal” oder “Fakten kümmern niemanden mehr” zu verwenden, verwässert ihn. “Post-truth” heißt er im Englischen, aber vielleicht wäre es stattdessen hilfreich den guten alten Begriff des “Truthers” zu verwenden, der Leute bezeichnete, die an Verschwörungstheorien rund um 9/11, Mondlandung oder sonstwas glauben, und sich zu ihren gefühlten Wahrheiten beliebige Belege suchen.
Nathan Jurgenson hat den Begriff im Trump-Kontext aufgegriffen und der Truthiness dabei den ebenso hilfreichen Begriff der Factiness entgegensetzt, um zu erklären, warum das (noch dazu oft vereinfachende und und bias-ignorierende) bloße Vertrauen auf Daten und Statistiken als Fakten ohne eine vereinende gefühlte Wahrheit, ein Narrativ, nicht als Gegenmittel funktioniert:
“truthiness,” which we might define as ignoring facts in the name of some larger truth. The facts of Obama’s birthplace mattered less for them than their own racist “truth” of white superiority. Perhaps we need to start articulating a left-wing version of truthiness: let’s call it “factiness.” Factiness is the taste for the feel and aesthetic of “facts,” often at the expense of missing the truth. From silly self-help-y TED talks to bad NPR-style neuroscience science updates to wrapping ourselves in the misleading scientisim of Fivethirtyeight statistics, factiness is obsessing over and covering ourselves in fact after fact while still missing bigger truths.

Verschiebung des Wertesystems durch Ausweitung des Sagbaren

Aber weiter zur neu-rechten Rhetorik: Jason Stanley hat wie Laurie Penny, den Frankfurtschen Bullshit-Begriff für die sprachliche Methode der Neu-Rechten, explizit Trumps Stil, aufgegriffen, sieht ihn aber nur auf technischer Ebene als zutreffend. Er greift zum besseren Verständnis Hannah Ahrendts Schriften zu autoritärer Propaganda auf, und erklärt: Es ist in einer freiheitlichen Demokratie schwierig, eine Botschaft zu finden, die für die Vielfalt der Wertesysteme gleichermaßen passt – davon können Werbebranche und Politik gleichermaßen ein Lied singen. Um die eigenen Machtvorstellungen angesichts eines so diversen Publikums durchzusetzen, bei dem auch noch verschiedenste Wertesysteme miteinander in Konflikt stehen, erschafft die Neu-Rechte im Truther-Stil eine möglichst einfache Realität, die sich echt anfühlt, weil sie etwas Komplexes schön einfach erklärt und  meist auch noch Sündenböcke für Probleme bietet und ein wir-gegen-die Gruppengefühl schafft, und, ganz wichtig: Die den Zweck erfüllt, nach und nach das Wertesystem des Publikums zu verändern. Ähnliches haben andere mit der bewussten “Ausweitung des Sagbaren” oder “Vergrößerung des Overton-Fensters” benannt. Es weniger um Überzeugung durch das inhaltlich Gesagte, sondern um eine Verschiebung des Wertesystem. Und genau deswegen muss es Dinge geben, die wir nicht tolerieren, sonst kann Meinungsfreiheit zur Waffe gegen die Demokratie werden.
Das ist ein Prozess, der eigentlich schon seit Sarrazins ‘Man wird doch wohl noch sagen dürfen’ von den Medien mitgespielt wird. Beispielsweise mal ausgeführt: Es wird behauptet, und damit die fiktive Realität geschaffen, dass ‘man’ gewisse Sachen nicht mehr aussprechen dürfe. Das ist provokativ, vor allem weil jemand eine Opferhaltung einnimmt, die ihm faktisch nicht zukommt, aber: Hey, Meinungspluralität in den Medien! Hey, mehr Aufregung bringt mehr Klicks! Also geben wir es als eine Meinung aus, die eine demokratische Gesellschaft aushalten muss, und geben ihm eine Plattform. Damit wird die Aussage eigentlich endgültig absurd, denn a) wird in dem Text, der sich beklagt, dass man etwas nicht mehr aussprechen dürfe, genau das angeblich Nicht-Aussprechbare ausgesprochen und b) werden ihm noch dazu die größten Medien als Plattform gestellt. Es ‘wissen’ eigentlich die meisten, dass es Quatsch ist, aber es ‘fühlt’ sich für viele – Leute wie Mario Barth füllten mit Ähnlichem ganze Stadien – irgendwie wahr an. Sonst würde es ja auch nicht in allen Medien auftauchen. Der Fokus sollte deswegen auch nicht nur auf Online-Diskussion liegen, auch die traditionellen Medienhäuser gehören in die Verantwortung genommen: Intolerante anti-feministische, anti-homophobe und rassistische Inhalte werden nicht nur von Rechten auf Social Media verbreitet, nein, ihnen wird auch in Meinungskolumnen und Talkshows Platz gegeben. Et voilà: nach und nach wird immer öfter und immer schärfer von einer “Verbotskultur” gesprochen. Das Wertesystem hat sich verschoben.
Hier auch mal ein paar Tweets dazu aus dem Thread von @meakoppa, aus dem ich den Titel dieses Blogeintrages habe:

So funktionieren rechte Strategien letztlich heute wie damals. Die aktuellen haben Wurzeln in Kreationisten- und Trutherkreisen, sie wurden in Männerrechts- und Pick Up Artist-Ecken des Netzes – das sind auch nach wie vor völlig unterschätzte Einstiegsgruppen für Rechte – endlos ausgefeilt und nicht zuletzt im Gamergate kampferprobt. Mit Leuten wie Breitbarts Yiannopoulus sind bei der Neu-Rechten sogar diesselben Aushänge-Protagonisten am Start. Von Matt Lees gibt es einen langen Essay dazu (vor allem für Journalist*innen auch lesenswert), was hätte von Gamergate schon für die “Alt-Right” hätte gelernt werden müssen, statt Breitbart und Co abzukaufen, dass da einfach nur hysterische SJWs (Social Justice Warriors) gegen ganz ‘normale’ Menschen stehen. Das findet sich inzwischen in der rechten Hetze gegen die “grünversifften Gutmenschen” wieder, die den ganz ‘normalen’ Bürgern ihre Rechte/Spaß/Meinungsfreiheit wegnehmen. Da werden mit einer Anti-Establishment Haltung soziale gesellschaftliche Standards erodiert. Und mit dem Erstarken der Neu-Rechten ist es nun auch in der gesellschaftlichen Mitte etwas nicht mehr ganz so leicht wegzugucken, als damals, als es nur ein ‘Frauenproblem’ und Minderheitenproblem war. So diskutiert nun die bürgerliche urbane Medien- und Marketing-Klasse über Dinge, die vor Jahren zum Beispiel feministische Bloggerinnen diskutierten, die sich gegen Maskus wehren mussten – statt auf dort Gelerntes aufzubauen.
Verschiedenste rhetorische Kniffe der Neu-Rechten sind eigentlich Klassiker, hier mal ein paar mit Hilfe der Rational Wiki vorgestellt:
(also known as proof by verbosity and the Trump Tirade) is the fallacious debate tactic of drowning your opponent in a flood of individually-weak arguments in order to prevent rebuttal of the whole argument collection without great effort.
is a way of attempting to make wild accusations acceptable (and hopefully not legally actionable) by framing them as questions rather than statements. It shifts the burden of proof to one’s opponent
A concern troll visits sites of an opposing ideology and offers advice on how they could “improve” things, either in their tactical use of rhetoric, site rules, or with more philosophical consistency. The “improvements” are almost exclusively intended to be less effective.
the fallacious tactic of taking quotes out of context in order to make them seemingly agree with the quote miner’s viewpoint or to make the comments of an opponent seem more extreme or hold positions they don’t in order to make their positions easier to refute or demonize.
The balance fallacy is a logical fallacy that occurs when two sides of an argument are assumed to have equal or comparable value regardless of their respective merits, which (in turn) can lead to the conclusion that the answer to a problem is always to be found between two extremes. The latter is effectively an inverse false dilemma, discarding the two extremes rather than the middle. Balance is often a problem in the media, where confrontational or adversarial journalism might present more of a controversy about some topic than actually exists, giving equal time to fringe minority viewpoints to draw in viewers. It is effectively the opposite of bias. (vlg. zum Beispiel die Überpräsenz der AfD in den Medien)
(also tone policing) is a logical fallacy that occurs when an argument is dismissed or accepted on its presentation: typically perceived crassness, hysteria or anger
a fallacious argument style in which an irrelevant or false topic is presented in an attempt to divert attention from the original issue, with the intention of “winning” an argument by leading attention away from the original argument and on to another, often unrelated topic.

und. so. weiter.

Ich würde sagen, Faustregel bleibt (zumindest für Frauen und Minderheiten): Traue dich, laut für deine Position einzustehen, aber lerne auch, wann es sich nicht zu diskutieren lohnt, wenn du eben zum Beispiel solche Taktiken erkennst. Oft ist es einfach besser, zu löschen, blocken und ignorieren. Schon mal aus Selbstschutz.

Ich habe selbstverständlich auch keine Lösung für die Rettung der demokratischen Diskussionskultur, aber meine Begeisterung für Ansätze, bei denen ich das Gefühl [sic] habe, dass es ihnen letztlich nur darum geht, wieder mehr Gemütlichkeit für eine bürgerliche Mitte zu schaffen, statt an die Wurzeln zu gehen, hält sich in Grenzen. Andererseits ist es schön, dass überhaupt was in die Gänge zu kommen scheint und ich hoffe ganz ehrlich, dass ich mit meinem ‘Gefühl’ den Schmalbarts, #ichbinhiers und Correctivs Unrecht tue, und stattdessen die Neu-Rechte von spannenden, engagierten Projekten, die Minderheiten einschließen, total disrupted wird, statt dass sie das Netz einfach noch lärmiger machen mit einer Meme Wars Version von Lichterketten gegen Windmühlen. Ich drücke uns die Daumen.
P.S.: Noch eine Weiterleseempfehlung, über die ich heute früh gestolpert bin: In “In den Niederungen der Desinformation. Ein Selbstversuch mit RT” zeigt Sylvia Sasse, wie Russia Today die “ehemalige mediale Frontlinie zwischen Ost und West” reaktiviert” und die “rechtspopulistischen Parteien Europas diese Frontlinie dankbar ins Innere ihrer Gesellschaften” verlagern.
Überhaupt solltet ihr Geschichte der Gegenwart gleich unter euren Lieblingsblogs bookmarken, in eurem RSS Reader abonnieren, auf Facebook liken, oder wie ihr das halt handbabt, denn da gibt’s derzeit wirklich wichtige Texte, z.B. auch „At the last Trump… – Populismus und das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen” von Christian Geulen oder der neueste: Patricia Purtschert zur Umkodierung der ursprünglichen Ziele von Identitätspolitik, It’s identity politics, stupid!

Hitler würde Rot-Rot-Grün wählen

In meiner Timeline werden gerade vermehrt empört AfD-Postings geteilt, die sich als “links” geltende Idole herausgepickt und sie mit einem “x würde AfD wählen”-Slogan versehen haben. Das geht von Che Guevara bis Sophie Scholl, letzteres auch noch mit einem Zitat vom Flugblatt 1 der Weißen Rose versehen, und das ist natürlich ein besonders großer Tabubruch.

Im kommenden Wahlkampf werden wir unendlich viel solchen Müll zu Gesicht zu bekommen. Es ist wichtig, dass wir uns davon nicht emotional aufheizen lassen und ihm nicht noch durch Re-Postings als Verstärker und Verteiler dienen. Genau das und die emotionale Aufreibung ihrer Gegner*innen ist der Zweck dieser neu-rechten Social Media Kampagnen. Es ist hilfreich, solche Postings einfach nur technisch zu betrachten: Als methodischen Tabubruch, als provokative Kampagne, aber sich nicht von den Inhalten aufwühlen zu lassen. Es geht hier nicht um Inhalte, es geht hier nicht um ein Wahlprogramm, sondern um Viralität.

Eine internationale internetaffine Neu-Rechte nutzt aus, dass soziale Netzwerke wie Facebook in erster Linie Marketinginstrumente sind. Das bedeutet, dass auf diesen Plattformen am besten gehört wird, wer am provokativsten postet oder wer bezahlt und gesponsorte Inhalte damit gezielt an bestimmte Gruppen verteilen kann. Nicht der lange gehaltvolle Inhalt macht die Runde, nein, der schrille, überspitzte Inhalt. Diese Viralität sozialer Netzwerke wird von der Neu-Rechten ganz bewusst als Taktik genutzt.

Es ist virales Marketing und der Inhalt hat da nicht mehr Wahrheitsanspruch als sonst auch in der Werbung. Es gehört zur Strategie, sich inhaltlich nicht festzulegen. Es werden immer wieder empörende und falsche Aussagen getroffen und oft danach wieder relativiert, wenn sich alle brav darüber aufgeregt haben und der rechte “Brand” wieder in aller Munde ist.

Mein Rat ist: Lieber ruhig die Methode angucken und kommentieren, als sich inhaltlich über all die einzelnen Provokationen jedes Mal auf’s Neue zu empören. Nerven schonen und nicht alles aufgeregt weiterposten, denn es wird ein langer heißer Wahlkampf.

Hier auch mal ein O-Ton Beispiel, wie sich Neu-Rechte das strategisch so denken:


P.S.: Ich verwende hier den Begriff “Neu-Rechte” als Sub-Begriff für rechte Gruppierungen, die internetaffin agieren, die sich post-moderne und linke Begrifflichkeiten aneignen, sowie Taktiken von Marginalisierten, die gegen ihre Ausgrenzung kämpfen. Außerdem ist typisch für sie, dass sie ihrer völkischen Gesinnung mit Begriffen wie ‘Ethnopluralismus’ einen pseudo-neuen Anstrich zu verleihen versuchen. Von der Methode her also quasi “liquid nazis”: Rechte, die sich auf die “flüchtige Moderne” einlassen.
Allerdings ist das “Neu” bei den “Neu-Rechten” genauso mit Vorsicht zu genießen wie das “Alt” bei der “Alt-Right”, denn das, was sie von den alten Rechten unterscheidet, wird nur taktisch eingesetzt, gilt aber in letzter Konsequenz als zu überwinden. Es ist derselbe dumpfe rechte Geist mit seiner Sehnsucht nach einer geschlossenen Volksgemeinschaft, der sich hier hinter einer zeitgeistigen Fassade verbirgt. Aber um mit einem Zygmunt Bauman-Zitat zu enden: “What has been cut apart cannot be glued back together. Abandon all hope of totality, future as well as past, you who enter the world of fluid modernity.”

Zynismus, Politics und Trump

K4 / Künstlerhaus Nürnberg. Photo: eve massacre

Seit Tagen oder Wochen will ich als reflektierendes Nachbeben zur Trump-Wahl bloggen. Doch wo anfangen? Was gibt es noch Sinnvolles zu ergänzen? Ich versuche es jetzt einfach mal, weil Bloggen für mich immer eine gute Methode war, um Gedanken zu sortieren und einzuordnen. Und ich wollte mir sowieso wieder den Anspruch abgewöhnen, dass Blogposts immer ausgereifte fertige Artikel sein müssen.

Ich nehme mal ein Stöckchen auf, dass mir in den sozialen Medien hingeworfen wurde. Als ich am Morgen nach der Wahl aufwachte und mein Handy unter die Bettdecke zog, um einen Blick auf Twitter zu werfen, verriet mir schon die bloße Zahl der Tweets, die über Nacht angefallen waren, dass er gewonnen hatte. Diese Zahl ist tatsächlich zu sowas wie einem Indikator für mich geworden, dass schon wieder etwas Schreckliches passiert ist. In solchen Moment haben viele Menschen mehr Kommunikationsbedürfnis, wollen ihr Entsetzen äußern, werfen mehr Leinen aus, die andere kommentieren, oder auch einfach nur tröstend mit Favs und Retweets auffangen, kleine Signale der Verbundenheit, Twitter kann da sehr gut tun. Ich verfalle da immer eher in Schweigen, wenn mich etwas so hart trifft wie die Nachricht von Trumps Sieg. Es war wirklich ein taubes Gefühl der Unwirklichkeit, gefolgt vom langsamen Heranrollen der Ahnung, was das für viele Menschen in den USA – und anderswo – an Tragödien mit sich bringen wird. Nicht nur in Form von Trumpscher Politik, sondern auch im Alltag, wo sich die Diskriminierungen und gewalttätigen Übergriffe gegen Marginalisierte auch tatsächlich alsbald häuften, fühlten sich doch die Rechten in ihrem Hass und in ihrer verqueren Opferlogik bestätigt. Und es traf mich auch in dem Bewusstsein, was das für Rechte weltweit für ein verstärkendes Signal sein würde – auch für AfD, CSU, Identitäre und Konsorten. Neben den ganzen zutiefst betroffenen Meldungen, tat sich alsbald eine abgeklärte Variante auf, die schrieb, dass, wer darüber schockiert sei, dass Trump zum Präsidenten gewählt wurde, zu einer ignoranten oder weltfremden Elite gehöre. Ich halte das für zynisch. Ich bin schockiert, weil ich mich weigere, meine Hoffnung aufzugeben, noch weiter abzustumpfen oder zu verbittern.

Mir ist Zynismus durchaus nahe. Er liegt mir. Er passt zur Hoffnungslosigkeit. Er schafft Distanz, nicht nur zu seinem Thema, auch zu Menschen. Und ja, ich empfinde die Welt als zutiefst kaputt und destruktiv. Aber ich glaube an nichts außerhalb oder danach, deswegen scheint es mir, das einzig Sinvolle zu sein, das beste aus dem Hier und Jetzt herauszuholen, aber dabei nicht nur in blanken Hedonismus zu verfallen, sondern parallel auch noch dazu beizutragen, die Welt ein Stück lebenswerter zu machen. Das ist vielleicht auch der Grund ist, warum ich mich als Autorin und DJ und Veranstalterin so wohl fühle: Es sind Positionen, in denen ich dazu etwas beitragen kann, dass sich Menschen inspiriert fühlen, oder zum Widerspruch angeregt, oder ein Konzert, eine Clubnacht lang aufgehoben und glücklich. Gleichzeitig ist mir zufriedene Geselligkeit aber auch immer ein Stück weit suspekt, kann, nein, darf nur ein zeitlich befristeter Zustand sein. Eine Basis, die Kräfte für kritisches Weiterdenken und -arbeiten sammeln lässt.

Und wenn ich schon gerade ein bisserl persönlicher werde: Ich bin in einer Zeit, in einer Welt aufgewachsen, in der versucht wurde, möglichst alles nach außen hin in Zuckerwatte zu hüllen, in der es galt, Brüche in Gesellschaft und Familie schön zu übertünchen. Es galt, aufzupassen, dass nichts von der Gewalt und Hässlichkeit durchscheint, die sich hinter verschlossenen Vorhängen abspielte – egal ob auf großer politischer Bühne oder hinter frischgestärkten Reihenhausgardinen. Dank einiger großartiger Menschen, wurde ich aber zum kritischen Denken erzogen, und traute mich alsbald, gegen Missstände den Mund aufzumachen, auch wenn das hieß, sich unbeliebt zu machen, Menschen zu verlieren. Zynismus bis hin zum beißenden Sarkasmus erwies sich da als wohltuende Waffe, um scheinbare Harmonien zu zerreißen, unter denen Misstände verborgen wurden. Ich habe ihn als provokative Waffe von Marginalisierten oder von politischer Kritik kennen- und schätzengelernt, aber diese Zeiten sind vorbei, das Blatt hat sich längst gewendet. Zynismus ist schon lange im Mainstream angekommen, es ist die alltäglichste aller Waffen geworden, die längst von oben nach unten genutzt wird. Nun, zerrissene zynische Abgründe nach außen zu tragen ist nicht mehr konstruktiv disruptiv, es zieht andere runter, entsolidarisiert, es ist kein Fundament, verharrt in der rebellischen Pose der Verachtung der anderen. Das war es letztlich, was mich immer an den Zynismen störte, die von professionell-wortgewandten Social Media Journalist*innen, die mit der Moderation von Facebook- und anderen Kommentarbereichen betreut sind, gerne gegen die “dummen” rechten Kommentare eingesetzt wurden. Das schürt nur ein Feuer.

Nehmt Fernsehen: Von Harald Schmidt, der vielleicht als erster Zynismus massentauglich gemacht hat, bis hin zu der Kommentarstimme, die seit Jahren über all den Reality Soaps und -Shows liegt, in denen Menschen sich in so ziemlich allen Lebenssituationen aneinander messen und sich für wenig Geld und Ruhm demütigen lassen. Neben zahllosen Talkshows, die in den Nullern damit florierten, sich über Marginalisierte zu amüsieren. Talkshowmoderationen mit provozierenden Fragen und mit nach dem nächsten Faux-Pas gierendem Blick. Oder Polit-Talkshows, in denen blankes sensationalistisches Entertainment als Diskussion, als Suche nach Konsens oder Lösungen verkauft wird. Das ist zutiefst zynisch, gerade weil es meist Themen sind, die tatsächlich einer fundierten öffentlichen Diskussion bedürften. Über Jahrzehnte hinweg basierte so viel TV-Entertainment darauf, ein Stereotyp von gescheiterten Menschen zu errichten, von Hartzern als Schmarotzer, Menschen an der Armutsgrenze, die angeblich einfach ihr Leben nicht im Griff haben, von Hochverschuldeten, die darin versagen, den Überblick über ihre Finanzen zu halten. Die sarkasmustriefende Häme von TV Shows und Sensations-Newsmedien, die vor allem auf Menschen gerichtet ist, die am Scheitern sind, ist der popkulturelle Ausdruck der endkapitalistischen Ära.

Owen Jones hat in Chavs ausführlich beschrieben, wie das zur “Dämonisierung der Arbeiterklasse” beitrug, quasi den Zusammenhang zwischen all der Schackeline-von-Mahrzahn-Comedy und dem Verlust jeglichen Klassenbewusstseins aufgezeigt. Es ist heute letztlich keine Identifizierung mehr damit möglich, niemand versteht sich heute als arm oder sozial benachteiligt. Im öffentlichen Diskurs sind die Leidtragenden an den über die Jahre für Arbeiterklasse und Prekariat sich verschlechternden Arbeitsverhältnisse selber schuld. Immer wieder die Big Daddy-Stimme: “Wer will, der kann auch arbeiten. Wer keine Arbeit findet oder an den Arbeitsbedingungen zerbricht, ist selber schuld.” Ist die Gesellschaft zu hart, bist du zu schwach. Hyperindividualisierung ist an die Stelle von einem Gefühl getreten, dass man gemeinsam mit anderen in einer Situation steckt. Und das wäre die Basis für die Idee, etwas ändern zu können. Das Veröden von Solidaritätsbewegungen durch das mal mehr, mal weniger sachte Hinwirken auf vereinzelnde Arbeits- und Arbeitslosigkeitsstrukturen hat Folgen gezeigt: Es geht nicht mehr darum, deine Arbeitsbedingungen zu verbessern, sondern dich zu verbessern. Egal, ob Proletariat oder Prekariat: Was du bist, ist nur noch etwas, was es zu überwinden gilt. Ist ja eigentlich hinlänglich bekannt. Und darüber zu sprechen, hieße, dein Scheitern einzugestehen. Und da ist ja auch immer diese Stimme, die dir kumpelhaft in die Rippen stößt, und dir versichert, dass du ganz anders bist, als die armseligen Loser um dich herum. “They don’t see themselves as poor, they see themselves as temporarily embarassed millionaires”, schrieb John Paul Brammer in einem Twitter-Thread darüber, wie die Stigmatisierung von Armut für viele Arme zur Identifikation mit einem Milliardär wie Trump führen konnte.

https://twitter.com/jpbrammer/status/799686559901454336

Auch im Journalismus findet sich der zynische Grundtenor, zum Beispiel in der Zunahme eines Meinungsjournalismus, von zahllosen Kolumnen, die mit zugespitzten, kaum noch als Welterklärungsversuche getarnten Provokationen Menschen aufeinander hetzen und dazu beitragen, gesellschaftliche Gräben zu vertiefen. Die schriftliche Variante der Polit-Talkshows. Aber mein Beispiel hier sollte TV sein, da es letztlich das Podium war, dass Trump als Ideologie am stärksten in die Köpfe gepflanzt hat (und ich spreche hier nicht von der Wahlkampfzeit, sondern von Jahrzehnten). Von Trumps eigenem Fox-Imperium, bis hin zu so traurigen Beispielen wie CNN, die im Nachhinein dann doch noch einsahen, dass es wohl keine so gute Idee war, mehrmals Wahlpropandaveranstaltungen von Trump komplett und unkommentiert auszustrahlen. Letztlich am prägendsten hat er sich aber mit The Apprentice in das öffentliche Bewusstsein eingeschrieben. Über Jahre hat Trump sich dort als Big Daddy, der weiß, was Sache ist, inszeniert.  Und er wurde von vielen gewählt, weil sie Politiker*innnen nicht mehr trauen, sondern stattdessen lieber einen erfolgreichen Geschäftsmann den Staat zum erfolgreichen Business führen lassen wollen. Wir haben dazu gottseidank keine parallele Figur hierzulande. Das anscheinend zunehmend nach rechts abdriftende Red Bull-Medium Servus TV kommt der unseligen Verquickung von Neu-Rechten und großem Konzern mit einem Sender vielleicht hier noch am Nähesten. h Als ich letzthin da mal bei einer TV-Show reinklickte, wurde gerade um Verständnis für die Position von Impfgegnern geheischt, dekoriert mit pseudo-wissenschaftlichem Einspieler. Aber das ist von der Personalunion Trump natürlich Welten entfernt.

Trumps Social Media Selbstinszenierung wird gerne als naiv missverstanden, aber ich hoffe sehr, dass wir stattdessen aus seinem Spiel mit dem Journalismus etwas für den Umgang mit AfD, Identitären, CSU usw. hierzulande lernen. Politik und Strategie analysieren und erklären statt Empörartikel über Provokationen rauszuhauen, das würde ich mir wünschen. Nicht den Inhalten der Rechten Platz einräumen, sondern nur den Mechanismen die dahinter stecken. Analyse statt Podium sein. Billigartikel, die nur die zynischen Provokationen abbilden und mit lustigen “so reagiert das Netz”-Einbettungen dekorieren, bringen zwar mehr Clicks, aber niemand mit einem Funken journalistischer Ethik sollte in dieser Weise als Verstärker von rechter Propaganda herhalten – egal wie knapp das Geld ist. Es muss klar sein: Für die Neu-Rechte ist diese Berichterstattung über ihre Provokationen dreifach zuträglich: Sie ist Propaganda für den Kreis, der ihnen eh schon folgt, sie ist zunehmende Normalisierung von rechtem Gedankengut in der breiten Gesellschaft, und sie ist eine Möglichkeit auszutesten, wie weit sie mit ihren Positionen zum jeweiligen Zeitpunkt gehen können, um noch wählbar zu bleiben.

Soweit mal ein paar Gedanken für heute, jetzt auf ins Kino, “I, Daniel Blake” gucken.