Buchbesprechung: Leonie Swann – Dunkelsprung

Ganz wunderbare leichte Lektüre. Ich mochte von Leonie Swann auch schon das Hörbuch von Gray, während ich Glennkill schnell wieder auf die Seite legte – zu langatmig, zu bieder.

In Dunkelsprung flicht Swann ähnlich wie in Gray eine Vorliebe für ein leicht angestaubtes Klischee-Großbritannien – you know, Tee, die pittoreskes Farmland und Küste, und ein London, das für immer die Spuren Sherlock Holmes und Jack The Rippers trägt. Ich bin für diese romantisierten Geschichts- und Traditionsfetzen wenn es um Großbritannien geht, auch recht empfänglich, verstehe aber alle Engländer*innen, denen dabei die Galle hochkommt, denn ich implodiere auch jedes Mal verzweifelt, wenn Nürnberg sich wieder und wieder nur über miefige Bratwürste und Bier, die Burg samt Altstadt und Dürerhasen inszeniert.

Mir kommt da immer wieder ein Essay von Sam Wetherell und Laura Gutiérrez in den Kopf, “It Just Won’t Die“, in dem sie anlässlich des Royal Wedding-Zirkusses über diese Art von “history factory” und die Folgen davon schreiben, wenn das Branding über eine verklärte, als abgeschlossen behandelte Historie läuft, die für Tourismus am Leben erhalten wird, und sich das an der Gegenwart bricht – oder eben nicht brechen kann:

“Amid the frantic attempts to represent Britain’s past as cobbled and quaint it gets harder each day to meaningfully connect the past and the present. This task requires the acknowledgement that the past is a process, whose structures, institutions and power relations still weigh heavily on the politics of the present. Instead, Britain’s history factory delivers the past as a finished object, something to be charmed by and nostalgic for.”

Dunkelsprung verfährt hier schon ebenso, darin auch Harry Potter oder den Peter Grant Romanen von Ben Aaronovitch ähnelnd: Es gibt keine Interaktion der Vergangenheit oder der mythischen Sphären mit der Gegenwart, keinen Dialog, sondern sie werden als einfach als skurilles Element in die Gegenwart geholt, wirken da aber nicht mal so sehr skurril, da Swanns Version eines Gegenwartsgroßbritannien die Züge des “history factory” UK trägt. Gerade darum funktioniert der Roman aber vielleicht auch so schön in seinem Verschwimmenlassen von Erleben, Erinnern und Vergessen.

Im Gegensatz zu vieler anderer Fantasy, in der Figuren zielstrebig wie in einem RPG-Computerspiel von einer Mission zur nächsten eilen, verschwimmen hier die Missionen, tun sich Seitenwege auf, Zusammenhänge werden hergestellt, Nebengeschichten von Nebenfiguren erzählt, Zusammenhänge werden wieder in Frage gestellt, so dass das Buch, wenn auch nicht sehr tiefschürfend, durchaus nicht ganz unkomplex ist. Die Geschichte ist sprunghaft wie die Flöhe, die eine durchaus zentrale Rolle in ihr spielen. Es wird sich Zeit genommen, Nebenfiguren detailreich zu entwerfen, von einem nach Erdbeeren duftenden Drachenbaby bis zu einer feuch glänzenden Schneckenfrau mit Alabasterarmen. Die menschlichen Figuren sind nicht minder skurril wie die Fabelwesen: Flohzirkusdompteur und Detektiv-oder-doch-Gangster – sie sind meist leicht verwirrt und sich nicht immer darüber ganz im Klaren, wer und wann sie sind, was real ist und was nicht.

So ganz im Klaren darüber ist sich Leonie Swann wohl auch nicht: Es ist kein ganz rundes, stimmiges Buch, nicht wie Grey, aber meine Dankbarkeit für einen so charmant-skurrilen Roman, der Fantasy ein wenig weg von immer wieder ähnlichen Plots führt, überwiegt.

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